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Brücke der brennenden Blumen

Brücke der brennenden Blumen

Titel: Brücke der brennenden Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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Schlaf an Saiens Krankenlager hatten ihn zwar zusätzlich versehrt,
doch die Dörfler ließen ihn gewähren, ahnten sie doch, daß es außer einem
großen Wunder nun keine Hoffnung mehr gab für das Kind.
    Â»Dasco?« rief Eljazokad, als das Rot des Tiefschnees und das Schwarz
der Bäume ihn gegen alle anderen Farben des Lebens abschnitt. »Skandor Rigan!
Ich weiß, daß du dich im Wald verbirgst! Ich biete dir ein neues Opfer an!«
    Â»Dasco. Skandor Rigan«, wiederholte eine tiefe, grollende Stimme,
die scheinbar aus dem Himmel kam. »So hat mich lange niemand mehr genannt. Wer
bist du?«
    Â»Ich bin einer von jenen, die in einer anderen Welt in einem Wald
namens Larn mit dir rangen. Aber getötet haben dich wiederum andere, die kamen
aus dieser Welt.«
    Â»Ich erinnere mich. So kam ich hierher und wurde zu Oscodidan. Hast
du eine Vorstellung, wie viele Welten es gibt, in denen man sterben und in
denen man dann neu sich formen kann?«
    Â»Nein. Mir sind nur zwei bekannt.«
    Â»Es gibt auch nur zwei, obwohl es eigentlich vier sein müssen. Eine,
die die Götter schufen und zerstörten. Eine, die die Götter schufen und
verließen. Eine, die die Götter schufen, um in ihr zu spielen und andere zum
Spiel einzuladen. Und eine, die die Götter planen und erbauen. Ein ewigwährender,
niemals vollendeter Plan. In all diesen Welten war ich und werde ich sein: ein
Gegenspieler. Ein Vertilger von Monden und Erzeuger von Kindern.«
    Â»Du hast auch mich erzeugt, möglicherweise.«
    Â»Ich erinnere mich nicht an dich. Deine Lebensspanne scheint so kurz.«
    Â»Wie solltest du dich auch an alle erinnern? Wir sind alle wie
Kaninchen unter deinem Wolfsblick.«
    Die Stimme knurrte ungeduldig. »Du sprachst von einem Angebot.«
    Â»Ja. Das Mädchen, das die Dörfler Saien nennen. Du hast einen Teil
ihrer Seele behalten. Ich will diesen Teil haben. Anschließend habe ich mein
Leben vollendet, und du kannst mich bekommen.«
    Â»Ich kann dich jederzeit bekommen, ob mit oder ohne deine
Zustimmung.«
    Â»Das mag sein. Aber nur mit meiner Zustimmung wirst du auch meine
volle Zauberkraft schmecken können. Andernfalls würde ich sie verpulvern, bevor
du mich bekommst.«
    Der Wolf grollte wie ein fernes Erdbeben, während er nachdachte.
»Also gut. Was soll’s? Einen Teil eines Kindes gegen einen ganzen Magier, das
scheint mir ein guter Tausch zu sein. Nimm.«
    Der Wolf Oscodidan trat zwischen schneebehängten Tannen hervor.
Zweibeinig, dunkel, zottelig und riesig wie ein Stier. Er hatte eine rote
Azalee in der Hand, den fehlenden Teil von Saiens Seele. Eljazokad streckte
sich dem Tier entgegen und nahm die Blume an sich.
    Â»In vier Tagen werde ich dich holen kommen«, kündigte der Wolf an.
»So lange kannst du dich noch als Heiler feiern lassen.«
    Â»Ich danke dir, Vater .«
    Der Wolf zog die Lefzen hoch und grinste. Dann trat er zwischen die
Bäume zurück und war verschwunden wie eine Theaterfigur.
    Mühsam kämpfte Eljazokad sich durch den Schnee nach Hause. Dort
legte er die rote Blüte auf Saiens bleiche Lippen und hauchte dagegen. Das Rot
kehrte in ihren Mund zurück. Sie schlug die Augen auf und sagte deutlich: »Ich war ein Traum, verborgen in einem Irrgarten, verdunkelt durch
ein Rätsel, entfernt durch einen Abgrund. Du hast den Irrgarten durchschritten,
das Rätsel gelöst, den Abgrund mit einer Brücke überspannt. Du folgtest der
Fährte des Mammuts und hast mich gefunden. Ich danke dir, Sohn zweier Väter und
einer wunderschönen Frau.« Dann entspannte sich ihr Gesicht, sie wurde
wieder Kind und vermochte nur noch wenig und kindlich zu sprechen. Eljazokad
holte die Dorfmütter. Sollten doch sie die schwere Aufgabe übernehmen, dem
Mädchen den Tod ihrer Mutter beizubringen. Er war müde, nicht nur aufgrund
seines Fiebers. Er hatte durch diese Tat das Drama seines Lebens zu Ende
gespielt und alle seine Schulden beglichen.
    Zwei Tage feierte man ihn. Guérisseur!
Guérisseur! Sogar Sorcier , Zaubermeister,
wurde er gerufen. Sein Fieber und seine Schmerzen vergingen, als hätte Saien ihn geheilt, und nicht umgekehrt.
    Am Abend des dritten Tages nach seiner Wundertat klopfte es an die
verschnürten Felle, mit denen seine Hütte verhängt war. Eljazokad ließ den Gast
ein. Es war der Ritter Gyulthen. Hinter ihm dampfte sein Kriegsroß in

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