Brücke der brennenden Blumen
immer, Tiere sind viel geradliniger als
Menschen.«
»Vielleicht«, lenkte Tjarka ein. »Aber innerhalb ihres Reviers haben
sie ihre Abläufe, denen sie unterworfen sind. Ein Mensch ist freier und deshalb
einfacher zu durchschauen.«
»Das ist eine Art von Magie«, stellte
Eljazokad leise fest. »Und sie funktioniert nur im Thost, weil du dein ganzes
Leben hier verbracht hast.«
»Das weià ich nicht. Eigentlich glaube ich nicht, daà sich diese
Fähigkeit nur auf den Thost beschränkt. Der Thost wechselt so oft sein Gesicht
â das könnte dann genausogut ein anderer, fremder Wald sein. Nein, ich habe das
gelernt und kann es jetzt. So einfach ist das.«
»Und Forker Munsen? Konnte er es auch?«
»Nein. Ich habe oft versucht, es ihm beizubringen, aber er hatte
nicht die Geduld dazu.«
»Hatte er irgendwelche anderen Spezialfähigkeiten?«
»Viele. Er war ein guter Fallensteller. Ein sehr guter Lauscher. Ein
unglaublich guter Anschleicher. Und er konnte gut Bäume hochklettern, auch
Kiefern, deren Ãste erst ganz oben beginnen. Der Regen läÃt übrigens nach. Noch
schwächer wird er heute wohl nicht werden. Wir sollten weitermachen, wenn ihr
noch Kraft habt.«
Eljazokad war immerhin wieder zu Atem gekommen. »Gut. Führ uns an.«
Aus Eljazokads Tagebuch:
4. Blättermond
Unser vierter Tag im Thost.
Es ist erst früher Abend, und ich kann
nicht mehr. Den ganzen Tag rennen, hetzen, springen, aufholen. Bestar und
Tjarka müssen meinetwegen rasten und scheinen sich einig darüber zu sein, daÃ
ich für eine Verfolgungsjagd wie diese vollkommen unzulänglich bin. Tjarka
konnte ich mit den fünf Talern für diesen Tag gnädig stimmen. Aber Bestar ist
unzufrieden, hat das Gefühl, wertvolle Zeit zu verlieren. Laut unserem
ursprünglichen Zeitplan müÃten wir jetzt schon wieder in Clellach oder auf der
Rückreise sein. Statt dessen sind wir mitten drin im nassen, grünen
Dickichtlabyrinth des Thost.
Im endlosen Prasseln des Regens
erreichten wir gegen Mittag die Stelle, wo Tjarka vor einigen Tagen den
Rothaarigen traf. Von dort aus führte sie uns zu dem FluÃlauf, zu dem sie auch
ihn brachte. Danach rannten wir weiter fluÃaufwärts, in der Richtung also, in
der der Rothaarige weitergegangen war. Bestar entdeckte auf einer kleinen
Kleewiese einen Hasen. Wir wollten ihn fangen, um ihn zu untersuchen, aber er
ist uns entwischt. Immerhin konnte Bestar sich hinterher im Fluà den ganzen
Matsch wieder abwaschen, durch den er geschliddert war.
Tjarka ist mir unheimlich. Sie
wechselt manchmal die Richtung, als würde sie Stimmen hören, die sie lenken,
aber für mich und Bestar ist nicht einmal etwas Bezeichnendes zu sehen,
geschweige denn zu hören.
Im Laufe des Nachmittags kam mir ein
häÃlicher Gedanke: Was, wenn sie uns in die Irre führt? Was wissen wir denn
schon über Tjarka Winnfess? Vielleicht arbeitete sie die ganze Zeit mit Munsen
und S. zusammen, und es ist nun ihre Aufgabe, Neugierige von S. wegzuführen? Vielleicht
hat sie Munsen nicht einfach nur am Baum hängend vorgefunden, sondern ihn
tatkräftig dort aufgeknüpft?
Aber das paÃt nicht zu ihrem Wesen. Ein
hinterlistiger, sich verstellender Mensch wäre freundlicher, verschlagener,
glattzüngiger. Tjarka ist brummig und ungehalten, verstimmt und wortkarg. Ihr
ist es lästig, uns dabeizuhaben. Wir stören ihre Intimität mit dem Thost. Sie
duldet uns, weil wir sie bezahlen und weil sie sich von uns verspricht, daà wir
ihr bei ihrer Rache helfen.
Eine wie sie wäre keinem S. gegenüber loyal.
Es sei denn natürlich, S. hätte auch ihr â
wie Munsen â Versprechungen gemacht, die eine Tjarka Winnfess in seinen Bann zu
schlagen verstünden.
Nein, ich glaube es nicht. Sie hintergeht
uns nicht.
Und wenn doch, werden wir es erfahren,
sobald wir Glauber Gudvin gegenüberstehen.
Ich bin so erledigt, daà Bestar den
Rothaarigen ganz alleine wird überwältigen müssen. Andererseits war ich noch
nie ein Kämpfer, nur mit meiner Magie konnte ich mich nützlich machen, und das
ist jetzt auch vorbei.
Der Dreimagier sagte, ich könnte zu meiner
Magie zurückfinden, wenn ich die Energie meines Lebenslichtes zu nutzen
verstünde. Die Riesen sagten mir, meine Magie würde von selbst zu mir
zurückfinden, wenn ich ihr nur Zeit zum Nachwachsen einräume. Ich bin
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