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Brücke der brennenden Blumen

Brücke der brennenden Blumen

Titel: Brücke der brennenden Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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ging, in etwa fünf Schritt Entfernung an den
drei Kauernden vorbei. Zuerst war nur sein Rücken zu sehen, aus dem trotz
Bekleidung die Wirbel hervorstachen wie Widerhaken. Die Stimme wurde lauter und
deutlicher. Eljazokad und Bestar wurden von einer ganz eigentümlichen Furcht
ergriffen, wie wenn man dem Tod begegnet, aber noch viel zu jung dafür ist.
    Â»â€¦Â mit einem Mal aus Asche auf der Stirn trat ihr
das Tier in den Weg und verbaute sich vor ihr. Sie erschrak und verlor alle
Kleidung in dem Schrecken, aber sie bedeckte ihre Blößen mit ihrem Haar und
einer Wurzel und sprach das Tier ganz züchtig an. ›Verzeiht, daß ich in eurem
Wald herumgeistere ganz wie in einem Traum‹, sagte sie zu dem Tier. ›Aber ich
muß zur Frau mit den Karten. Mein Töchterlein ist krank geworden an den vielen
Lügen.‹ ›Die Frau mit den Karten ist leider verschieden‹, antwortete das Tier
und wiegte mitleidig den Schädel. ›Die Tiere des Waldes fanden im Schnee keine
Beeren. Die armen Kaninchen waren es, die armen, armen Kaninchen, die die alte
Frau fraßen bei lebendigem Leib!‹«
    Der Spaziergänger war nun an den dreien
vorüber. Beide Sprechrollen mit deutlich voneinander unterscheidbaren heiseren
Stimmen deklamierend, schritt er rückwärts und ruckartig wie ein zweibeiniger
Krebs vorbei in die Dunkelheit. Jetzt konnten sie sein Gesicht sehen: Es war
eine zerknitterte, pergamentene Maske, angenagelt ans Gesicht oder angeklebt,
aber dennoch halb lose, mit dem ausgeschnittenen Papiermund den echten schief
verdeckend und die gemalten Augen schief auf der Stirn.
    Â»â€ºDas kann doch nicht sein!‹ widersprach das
nackte Mädchen. ›Die armen, armen Kaninchen würden doch niemals einen Menschen
angreifen, niemals! Ihr selbst habt die alte Frau gefressen, ihr selbst oder
einer von eurer stinkenden, liederlichen Art!‹ ›Es gibt keinen zweiten von
meiner Art. Ich bin einsam, schönes Kind‹, grollte das Tier. Der Schnee war von
purpurnem Blau, wo die Schatten der Nacht ihre Masken in ihn malten. ›Das
Töchterlein ist krank geworden‹, wiederholte leise das Mädchen und schluchzte.
›Was soll ich denn jetzt tun?‹ ›Gib mir das Kind. Ich kann es heilen‹, lefzte
das Tier. ›Aber Ihr seid doch nur ein Tier!‹ schrie das Mädchen unter Tränen.
Unter Tränen ging auch am Himmel auf das smaragdene Ei des Mondes. Dann wandte
sich der Mond um und versuchte zu flüchten, doch das Tier war über ihm, kaum
daß er zehn Sterne hinter sich gelassen hatte. Das Tier verschlang den Mond und
begann grün zu glühen. Der Schnee nahm den Schimmer von Holz an. Dann kehrte
das Tier zurück in die Welt und die Nacht und den Schnee, und das Mädchen und
die Tochter weint noch heute, weint hinein in die Ferne und die Einsamkeit und
das hämische Glitzern der holzverschneiten Sterne.«
    Mit diesen letzten Worten war der Spaziergänger verschwunden, hatte
den Sichtkreis der drei Lauscher ganz durchquert und tauchte unter in den
matten Mondlichtschatten des Unterholzes.
    Â»Wir müssen ihm hinterher!« zischte Eljazokad, doch Tjarka versuchte
ihn festzuhalten.
    Â»Das ist vollkommen sinnlos. Bleib hier!«
    Â»Nein, hast du denn nicht zugehört? Er sprach von den armen Kaninchen . Er weiß, was mit ihnen geschehen ist!
Seine Geschichte muß eine Bedeutung haben!«
    Â»Das muß sie nicht, er ist wahnsinnig, alle Leute, die ihn jemals
gehört haben, sagen das …«, doch der Magier riß sich los und setzte dem
Spaziergänger nach. Bestar folgte ihm mit zweifelndem Gesichtsausdruck. Die
Geschichte hatte ihm überhaupt keinen Sinn ergeben. Seit wann war der Mond ein
Ei und eßbar?
    Die beiden Mammut streiter durcheilten,
durchkämmten und durchwühlten das Unterholz, doch dort war nichts mehr zu
finden. Auch die grollende Stimme des Spaziergängers war nicht mehr zu hören
gewesen, nachdem Eljazokad in seine Richtung losgerannt war. Eljazokad hatte
das peinigende Gefühl, daß ihm ein entscheidender Zeuge durch die Finger geglitten
war. »Verflucht, verflucht, verflucht!« Rodraeg wäre das
nicht passiert.
    Tjarka tauchte bei ihnen auf, mehr als zehn Sandstriche wüteten sie
schon ergebnislos im Gestrüpp.
    Â»Hört mir zu.« Tjarka stellte sich Eljazokad in den Weg und zwang
ihn so dazu, sie anzusehen. »Ihr zahlt mir fünf

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