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Brücke der brennenden Blumen

Brücke der brennenden Blumen

Titel: Brücke der brennenden Blumen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tobias O. Meißner
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den Schmerz, doch die Haut war unversehrt und
auch darunter war keine außerordentliche Muskelverhärtung zu spüren. »Das fühlt
sich an«, stieß er preßatmend zwischen den Zähnen hervor, »als würde mir jemand
das Bein absägen. Irgend jemand zerfleischt mir mein Bein!« Das Echo dieses
Ausrufs war noch nicht ganz zwischen den Bäumen verhallt, als der zum Zerreißen
gespannte Körper des Magiers plötzlich ganz ruhig und schlaff wurde.
    Â»Ist er ohnmächtig?« fragte Bestar.
    Â»Nein«, gab Tjarka Auskunft. Eljazokads Augen waren geöffnet.
    Â»Es ist vorbei«, sagte er schwer atmend. »Der Schmerz ist weg.
Vollkommen weg. Was war das denn?«
    Â»Hat der falsche Schmetterling dich doch erwischt? Mit einem
vergifteten Pfeil?« erkundigte sich Bestar.
    Â»Nein. Ich habe überhaupt nichts abbekommen. Du wurdest
getroffen. Ich verstehe das nicht.«
    Â»Hört ihr das?« fragte Tjarka plötzlich.
    Die beiden Mammut streiter lauschten.
Nichts. Totenstille.
    Â»Es ist zu still«, stellte Bestar fest.
»Keine Vögel. Kein Insektenzirpen. Nichts. Selbst nach Eljaz’ Geschrei dürfte
es nicht so still sein.«
    Â»Ja.« Die junge Waldführerin erhob sich. Sie schaute sich um und sah
mit einem Mal älter aus als sonst. »Der Thost ist weg.«
    Â»Hä? Was redest du, Mädchen? Der Wald ist doch noch da.«
    Â»Die Bäume sind noch da. Aber der Thost nicht. Das ist schwer zu
erklären. Der Thost ist eben mehr als einfach nur eine Ansammlung von Bäumen
zwischen Bergen und dem Meer. Er hat eine Persönlichkeit. Einen Geruch. Wir
Waldführer können ihn immer spüren, uns daran entlanghangeln, uns davon leiten
lassen wie von den Wolken. Einige konnten sogar mit dem Thost reden. Hier, an
dieser Stelle, fehlt der Thost.«
    Â»Jetzt geht es also los«, sagte Eljazokad, der sich ganz langsam
wieder aufrichtete. »Wir sind am richtigen Ort. Hier herrscht das Unheil. Wenn
die Kaninchen hier hineingeraten sind, dann sind sie fortgerissen worden wie in
einem Wirbelsturm.«
    Â»Ich kann nichts sehen und spüren. Außer daß es zu still ist«,
grummelte Bestar ungläubig.
    Â»Ich frage mich«, sagte Tjarka, »ist der Thost von hier vertrieben
worden oder ist er geflüchtet?«
    Â»Der Thost hat Selbstmord begangen«, sagte Eljazokad. Diese
Schlußfolgerung kam so klar in ihn, als hätte jemand anders sie ihm diktiert.
    Das Mädchen starrte ihn an. »Was meinst du damit? Denkst du … der
Thost steckt mit drin in der Sache?«
    Â»Warum nicht? Warum sollte nicht auch ein Wald korrumpiert werden
können?«
    Â»Nun macht aber mal halblang«, ging Bestar nun auch körperlich
dazwischen. »Ihr redet hier von einem Wald. Ein Wald tut nicht dies oder das,
er entscheidet nichts und geht auch nicht weg. Er steht da und wird
vollgeregnet und -geschneit, er wächst und wird abgeholzt und wächst wieder
nach.«
    Â»Das ist doch schon eine ganze Menge, findest du nicht?« fragte
Eljazokad. »Ein Mensch wächst nicht nach, wenn er abgeholzt wird. Er hält auch
nicht dem Regen und der Kälte stand, sondern sucht sich einen Unterschlupf. Ein
Wald ist genügsamer. Aber vielleicht kann man auch ihn mit etwas verführen. Mit
einem Vogelblick. Einer Ruhe vor den Äxten gieriger Menschen. Mit magischer
Kraft, wie auch die Riesen sie sich durch das Zepter erhofften.«
    Bestar grinste, so absurd kam ihm das alles vor. »Und du denkst,
weil man ihm hundert Jahre Axtruhe versprochen hat, opfert er mal eben alle
seine Kaninchen? Das ist doch völliger Quatsch. Das ist ja noch weiter
hergeholt als der Unfug, den der Spaziergänger von
sich gegeben hat.«
    Â»Wahrscheinlich ist es auch alles nicht so buchstäblich, Bestar. Du
mußt magischer denken. Hier gehen Geschichtenerzähler rückwärts. Schmetterlingsmenschen,
die keine sind, sterben durch Fallen, die vorher nie etwas gefangen haben.
Waldkundige hängen sich an Bäume wie Tannenzapfen. Alte Frauen zeigen uns
Karten, die den schlafenden Rodraeg zeigen und den am Baum hängenden Mann. Ich
habe Penob Scords Ende in einem Traum gesehen, bevor es passiert ist. Was immer
hier geschieht, ist magisch und voller Unerklärlichkeit.«
    Â»Gut, daß ich dabei bin, Eljaz«, entgegnete Bestar mit hochgezogenen
Augenbrauen. »Ich sehe dich auch schon vor lauter Begeisterung an einem

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