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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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freizuhauen. Schlag um Schlag führte er, und immer wieder drückte er die losen Zweige mit seinen gepanzerten Handschuhen beiseite. Schon sah er, dass das Dickicht sich vor ihm lichtete. Als er die letzten Ranken durchtrennte, erstarrte er plötzlich. Zwei Drachen standen dort vor ihm, nur einen Steinwurf entfernt, und ihre Augen blickten den Ankömmlingen entgegen.
    Voll plötzlicher Sorge erstarrte Loridan in seiner Bewegung, denn die Waffe in seiner Hand machte ihn verlegen. Er wagte es nicht, das Schwert zu heben, um es in die Scheide gleiten zu lassen, doch es erschien ihm auch unpassend, es einfach von sich zu werfen. Die Drachen musterten ihn weiterhin ohne jede Regung, in ihre Augen las Loridan jedoch Misstrauen und Abneigung. Erst als Selina an ihm vorbeischritt und sich den riesigen Wesen näherte, ließ die Anspannung ein wenig nach. Eine Weile stand die junge Frau still vor den Drachen, dann wandte sie sich um und kehrte zu Loridan und Danira zurück.
    »Das sind Steinschmelzer und Silberwolke«, erklärte sie. »Sie sagen, dass es keinem Menschen gestattet ist, weiter in dieses Land vorzudringen.«
    »Keinem Menschen?«, fragte Loridan. »Nicht einmal dir?«
    »Nein, nicht einmal mir.« Selinas Stimme klang traurig. »Sie trauen keinem Menschen mehr, nun, da sie wieder einmal verraten wurden.«
    »Aber was wird nun geschehen?«, fragte Danira.
    »Die mächtigsten der Drachen sind auf dem Weg hierher, um sich zum Rat zu versammeln – und sie werden ein Urteil über uns fällen.«
    *
    Traurig und niedergeschlagen hockte Selina auf dem felsigen Boden, die Arme um ihre Beine geschlungen, den Kopf auf ihre Knie gestützt. Loridan saß neben ihr, auch er betrübt und schweigsam. Nur Danira hatte sich nicht gesetzt, und unruhig schaute sie immer wieder zu den beiden Drachen hinüber, die nicht weit entfernt von ihnen warteten. Loridan erhob sich, als er die betrübte Stimmung des Mädchens bemerkte, und er trat neben sie und umfasste sanft ihre Schulter.
    »Spürst du ihre Gedanken?«, fragte er.
    »Nein, nicht wirklich. Ich spüre ihre Gegenwart, aber ihre Gedanken sind mir verschlossen. Nur wenn sie mich anschauen, wenn ich ihre Augen sehe, dann fühle ich, dass sie uns nicht freundlich gesonnen sind.«
    »Ja«, sagte Loridan. »Ich fühle ähnlich wie du. Ich wünschte, ich könnte sie besser verstehen, so wie Selina es tut. Würdest du nicht auch gerne mit ihnen reden können?«
    »Vielleicht. Dann könnte ich sie zumindest fragen, warum sie meinen Vater getötet haben.«
    »Es tut mir leid, dass diese Geschehnisse dich nun quälen.« Loridan zog das Mädchen fester an sich. »Aber verbindest du nicht auch schönere Erinnerungen mit den Drachen – zumindest mit Goldschuppe?«
    »Ja – in dem Moment, als Goldschuppe auf mich zutrat, hatte ich keine Angst, und ich spürte ein Gefühl der Zuneigung. Trotzdem denke ich nicht gerne an diesen Tag zurück.«
    »Ja, es ist ein Tag des Schreckens gewesen«, sagte der Ritter. »Und du hast von uns allen am meisten gelitten. Wenn du dich an diesen Tag erinnerst, dann vergiss nie, dass es Goldschuppe war, der dich gerettet hat. Auch ich verbinde düstere Erinnerungen mit den Drachen, doch wenn wir ihnen nun gegenübertreten, dann müssen wir die Vergangenheit vergessen. Und ich hoffe, dass auch die Drachen die Vergangenheit vergessen werden.«
    »Ich werde meinen Vater nicht vergessen. Und auch nicht, wie er gestorben ist.« Danira blickte zu Loridan empor. »Aber seit ich in Goldschuppes Augen gesehen habe, denke ich anders über die Drachen als zuvor.«
    Eine Weile blickten der Ritter und das Mädchen schweigend in die Richtung, aus der sie die Drachen erwarteten. Der Wind, der von Westen heranblies, war stärker geworden, und hohe Wolken zogen vom Meer her über das Land.
    »Sie kommen«, sagte Danira plötzlich mit leiser Stimme, und mit einer Hand zeigte sie zum Himmel hinauf. Als schwarze Silhouetten zeichneten sich die Drachen gegen die weißen Wolken ab, und sie näherten sich rasch. Loridan wandte sich zu Selina um, die ihren Kopf noch nicht gehoben hatte.
    »Die Drachen kommen«, sagte er.
    »Ich weiß.« Langsam erhob sich die junge Frau und trat an Loridan und Danira heran. »Ich spüre sie – Donnersturm und Sonnenfeuer sind unter ihnen und auch Goldschuppe, mein Bruder. Und auch Eisenklaue spüre ich, der der größte und weiseste der Drachen ist.«
    Die Drachen kamen näher, immer näher, und obwohl sie noch in großer Höhe flogen, waren ihre

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