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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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greifbar in der Luft, und das verblassende Glühen der Rune erwachte zu neuem Leben. Ein rötliches Licht ging von dem Metall aus, und immer noch war die Bruchstelle deutlich zu sehen. Das Leuchten wurde heller, änderte seine Farbe und steigerte sich zu einem grellen weißen Schein, der die Augen der Betrachter blendete. Dann verblasste das Strahlen, so schnell wie es gekommen war. Nach der kurzen Helligkeit erschien das versiegende Licht der Dämmerung nun umso düsterer. Nur am westlichen Horizont ließ ein letzter Rest der Sonnenscheibe das Meer golden aufleuchten. Zögernd hielt Timon eine Hand dicht über das Amulett, um die Ausstrahlung der Hitze zu spüren, dann senkte er sie langsam noch tiefer, bis ein Finger die Rune berührte.
    »Was fühlst du?«, fragte Grimstan.
    »Das Amulett ist heiß – so heiß, dass es meine Haut verbrennen müsste. Aber sein Zauber verhindert, dass es mir Schaden zufügt.«
    »Seine Macht – ist sie wiederhergestellt?«
    »Ja.« Endlich umschlossen Timons Finger das Amulett, und er hielt es vor seine Augen, um es in dem schwindenden Licht zu betrachten. »Ich spüre seine neu erwachte Macht, auch wenn etwas Seltsames geschehen ist: Der stählerne Draht hat sich mit dem Silber der Rune verbunden. Ich weiß nicht, wie sich dies auswirken wird, aber ich fürchte, wir können es nicht ungeschehen machen.«
    »Wahrscheinlich könnten uns nicht einmal die Runenschmiede sagen, was diese Verbindung von Stahl und Silber hervorbringen mag. Wir werden es auf uns zukommen lassen müssen.«
    »Diese Rune soll Danira tragen, wenn wir den Kampf gegen die Alten antreten. Es widerstrebt mir, ihr etwas in die Hand zu geben, das sie gefährden könnte.«
    »Wir leben in gefährlichen Zeiten. Und wenn das Amulett versagt, dann mag es für uns alle verhängnisvoll werden. Doch im Moment wollen wir uns freuen, denn aus dem Leid ist eine neue Hoffnung geboren. Bald können wir nun aufbrechen, um unsere Freunde wiederzusehen.«
    *
    Das Licht der Morgendämmerung war noch blass, als Loridan erwachte. Schon im Schlaf hatte er das Gefühl gehabt, beobachtet zu werden, und als er seine Augen öffnete, sah er Selina, die neben ihm kauerte und auf ihn hinunterblickte. Einen Moment lang befürchtete der Ritter, dass etwas nicht in Ordnung wäre, doch alles war ruhig, und Selinas Gesicht zeigte ein Lächeln. Loridan sah die junge Frau an, und insgeheim gab er Jandaldon recht: Sie sah wirklich aus wie ein Engel – oder zumindest so, wie er sich einen Engel vorstellte. Als Loridan sich aufsetzte, sah er Herubald, der die letzte Wache dieser Nacht übernommen hatte. Nur wenige Schritte entfernt lagen Danira und die beiden anderen Drachenritter schlafend in ihre Decken gehüllt.
    »Guten Morgen«, sagte Loridan, und er erwiderte Selinas Lächeln. »Warum schläfst du nicht?«
    »Ein Gefühl hat mich geweckt, ein Gefühl, das ich schon seit Wochen vermisse. Ich spüre die Drachen, sie sind nahe.«
    »Endlich.« Loridan erhob sich und bot Selina seine Hand an, um ihr beim Aufstehen zu helfen. Der Ritter bückte sich noch einmal und hob seine Decke auf, die er um Selinas Schultern legte. Der Morgen war dunstig und kalt, denn ein kräftiger Westwind hatte während der Nacht kühle Meeresluft über das Land geblasen. Einige Ghyas zogen über den Himmel und stießen ihre harschen Rufe aus, während sie mit ihren ledrigen Schwingen schlugen, um gegen den böigen Wind zurück zum Meer zu gelangen. Seit ihrem Aufbruch in Car-Elnath hatten Loridan und seine Gefährten fünf Tagereisen hinter sich gebracht, und das Meer war immer in ihrer Nähe gewesen, auch wenn sie sich zeitweise einige Meilen von dem schroffen, steinigen Küstenstreifen entfernt hatten.
    Gemeinsam gingen der Ritter und die Frau zu Herubald, der auf einem Felsbrocken saß, seinen Mantel eng um sich geschlungen.
    »Guten Morgen«, sagte Loridan. »Wie war deine Wache?«
    »So wie auch all die anderen Wachen in den letzten Nächten. Nichts regt sich in diesem Land.«
    »Ja, alles ist ruhig hier«, sagte Loridan, »merkwürdig ruhig. Auch wenn die Drachen nun schon seit Wochen verschwunden sind, scheint ihr Zauber immer noch über dem Land zu liegen.«
    »Du verstehst immer noch wenig von den Drachen.« Selina stand neben den beiden Männern, und ihr Blick war starr nach Nordosten gerichtet. »Bis vor Kurzem war dieses Land lebendig, denn die Drachen lebten hier, und ihre Gedanken waren überall zu spüren. Jetzt ist alles leer, denn der Bann der Alten

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