Brüder der Drachen
seiner Reise aufbrechen will. Hast du noch etwas zu sagen, Vier ? Du hast bisher geschwiegen.«
Der Angesprochene, ein sonnengebräunter Mann in der farbenfrohen Kleidung eines Seefahrers, ergriff das Wort. »Wir haben viele Jahre an unseren Plänen gearbeitet, deshalb sollten wir jetzt nichts überstürzen, nur um siebzig Jahre zu gewinnen. Die Identitäten, die wir zurzeit einnehmen, sind nicht optimal. Bis auf dich, Eins , hat keiner von uns eine wirkliche Machtposition inne. Das kann jedoch auch ein Vorteil für uns sein, falls die Runenschmiede oder deren Nachfolger immer noch auf unserer Fährte sein sollten. Einen unbedeutenden Kapitän wie mich werden sie wohl nicht verdächtigen – und es wird auch wenig auffallen, wenn ich plötzlich verschwinde, um den Großen Zauber zu beginnen. Der Zwist zwischen Gweregon und seinem Neffen könnte außerdem für genug Verwirrung sorgen, um von unseren Tätigkeiten abzulenken.«
»Es gibt noch ein weiteres Argument, das für ein sofortiges Handeln spricht«, erwiderte der Einäugige. »Wir haben lange darüber diskutiert, wie wir es schaffen sollen, zu dem Turm vorzudringen. Auch wenn wir uns vor dem Feuer der Drachen schützen können, haben wir ihren Klauen und Zähnen nichts entgegenzusetzen – und mit einem Angriff ist sicher zu rechnen, wenn die Drachen uns entdecken. Sie würden die göttliche Macht Thaur-Angoths in uns spüren.
Letztlich werden wir also einen geeigneten Boten finden müssen, der den Kristall an den Drachen vorbei in den Turm trägt. Es gibt nur noch wenige Menschen, in denen Firions Licht hell genug leuchtet, um die Drachen zu blenden. Unsere Arbeit der letzten Jahrhunderte war womöglich zu erfolgreich – bald werden wir vielleicht keine reinen Kinder Firions mehr finden, die nicht vom Einfluss Thaur-Angoths gezeichnet sind. Loridan ist einer dieser Reinen, aber ich glaube nicht, dass er sich so einfach von uns benutzen lässt. Trotzdem kann er Wege beschreiten, die uns verschlossen sind – und vielleicht schafft er es sogar, eine ganze Gruppe von Menschen heil zum Turm zu führen. Wenn Fünf Teil dieser Gruppe ist, könnte er so zumindest in die Nähe des Turms gelangen.
Ich denke, wir sollten jetzt alle in Ruhe über das hier Gesagte nachdenken und uns in ein paar Tagen wieder treffen. Dann müssen wir allerdings zu einer Entscheidung kommen.«
Der Einäugige leerte seinen Bierkrug und nickte den anderen grüßend zu. Dann erhob er sich, griff seinen Helm und trat hinaus auf die Straße, die hinauf zur Burg des Königs führte.
*
Missmutig suchte Deryn sich einen Weg durch die Trümmer der zerstörten Häuser, die sich im kalten Licht Eril-Firions vor ihm ausbreiteten. Nach zwei Tagen in der Stadt der Geister hatte er seinen Tagesablauf an den der anderen Bewohner angepasst. Besonders in den Phasen der Dämmerung waren sie aktiv, oder in den hellsten Stunden der Nacht, wenn das Auge des Wächters hoch am Himmel stand. Kurz nach Sonnenuntergang hatte er Taric zu einem nächtlichen Ausflug begleitet, um eine Reihe von Fallen zu kontrollieren, und darin hatten sie ein paar Halas und zwei der schmackhaften Sandechsen gefunden. Danach war Deryn in das Kellergewölbe gegangen, wo seine Craith-Echse zusammen mit Loridans Reittier untergebracht war, und er hatte beide Tiere mit frischem Wasser versorgt. Taric hatte die verängstigte Echse bereits vor zwei Tagen bei seinem Jagdausflug am Rand der Stadt gefunden.
Momentan hatte Deryn keine Gelegenheit mehr gesehen, sich nützlich zu machen, und so war er zu einem kleinen Spaziergang aufgebrochen. Er kam sich töricht dabei vor, denn Loridan hatte ihm abgeraten, sich allein in die Stadt zu wagen – doch warum sollte er der Einzige sein, der sich vorsehen musste, wenn sogar ein Mädchen wie Danira sich allein in diesen Straßen zurechtfand? Es gab natürlich eine Antwort auf diese Frage, und Loridan hatte sie seinem Freund oft genug unter die Nase gerieben. Wenn Grostan Deryn wirklich kannte, konnte dies gefährlich werden, denn viele Menschen hier empfanden Hass gegenüber dem König und seinen Gesandten. Aber offenbar schien der selbsternannte Richter die Sache nicht weiterzuverfolgen. Deryn hatte ihm bei ihrer Begegnung verraten, dass er auf dem Weg zu Tarics Haus gewesen war, und dort waren noch keine von Grostans Männern aufgetaucht.
Immerhin war Deryn vorsichtig genug, die Straßen zu meiden. Der Himmel war klar, und Eril-Firion stand noch hoch über den zerklüfteten Ruinen der Stadt.
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