Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
Vom Netzwerk:
mich dem Meister der Gilde offenbare?«
    »Es wäre schon schlimm genug, wenn die Alten erfahren könnten, wo wir sind und in welche Richtung wir uns wenden.« Herubald schwieg für einen Moment und schüttelte unwillig seinen Kopf. »Doch die Gilde hat eine große Macht in der Stadt. Wenn sie auf unsere Gruppe aufmerksam wird, könnte das unsere Unternehmung gefährden. Verstehst du das nicht?«
    »Ihr solltet nicht mit mir reden wie mit einem Kind«, sagte Timon. »Ich weiß mehr über die Alten als ihr es tut. Nun wollen wir dieses Thema ruhen lassen. Wir werden noch zwei Tage hier in Car-Niëllath sein. Vielleicht werde ich mich inzwischen noch an andere Dinge erinnern. Ich möchte wenigstens erfahren, wer ich war und wann ich hier lebte.«
    »Verzeih mir«, sagte Herubald. »Ich vergesse wirklich manchmal, dass du mehr bist als das Kind, als das du erscheinst. Aber ich denke, wir können mehr über dein Leben hier herausfinden, auch ohne die Gilde in deine Vergangenheit einzuweihen. Wir alle werden dir dabei helfen, soweit wir dies können.«
    »Gut«, sagte Timon, und für eine Weile wandte er sich wieder seiner Mahlzeit zu. Erst nach einer Weile begann er wieder zu sprechen.
    »Meine Vergangenheit ist vielleicht der Schlüssel zu unser aller Zukunft«, sagte er. »Ihr könnt mich nicht daran hindern, sie zu ergründen.«
    *
    »Warum müssen wir uns hier über diesen Hang quälen?«, fragte Jandaldon. »Weiter im Osten ist das Ufer des Sees besser zugänglich.«
    »Wir quälen uns über den Hang, weil ich jetzt zum See möchte und nicht später.« Rhya ging unbeirrt weiter, die Reitechse hinter sich am Zügel führend. Der Hang war steil und bedeckt mit losem Geröll, zwischen dem Flecken von Gras hervorsprossen. Sechs Tage waren vergangen, seit sie dem ewigen Feuer begegnet waren, seitdem hatte ihr Weg sie stetig nach Osten geführt, immer weiter durch das kahle und felsige Hügelland. Die Landschaft, die nun vor ihnen lag, war geprägt durch den See und den Fluss, der daraus entsprang. Schon an den letzten beiden Tagen ihrer Reise hatten sie von Zeit zu Zeit einen Ausblick über das flache Land im Süden gehabt, und sie hatten das Glitzern der Sonne auf den Biegungen des Flusses gesehen, der die Landschaft von Osten nach Westen durchschnitt. Sie hatten den Fluss nicht auf direktem Weg erreichen können, denn das Gelände im Süden fiel steil ab, so als sei ein ganzer Landstrich eine Viertelmeile tief abgesackt. Je weiter sie nach Osten vorgedrungen waren, desto flacher war diese Stufe allerdings geworden. Schließlich hatten sie den See erreicht, auch wenn sein Ufer immer noch tief unter ihnen gelegen hatte. Nun hatte Rhya plötzlich beschlossen, den Steilhang zu überwinden, der sie noch von der weiten Wasserfläche trennte.
    Jandaldon blieb unschlüssig am Rand des Hanges stehen, während sein Blick über den See hinwegschweifte. Nach Osten hin verlor sich die glatte Wasserfläche in unbestimmten Weiten, wo sie mit dem dunstigen Horizont verschmolz. Mitten im See, vielleicht drei Meilen vom Ufer entfernt, sah er die Stadt, von der Rhya ihm erzählt hatte. Ein felsiger Gipfel erhob sich aus dem Wasser heraus, und um ihn herum waren die Dächer vieler Häuser zu sehen, die sich bis in den See hinein zu erstrecken schienen. Viele Boote und kleine Schiffe mit hellen Segeln bewegten sich langsam zwischen der Stadt und dem Ufer hin und her. Scharen von Vögeln kreisten über dem See, und der Sänger ahnte, dass es Ghyas waren, Sturmvögel, die er bisher nur an den Ufern des Meeres gesehen hatte.
    Bald wandte er seine Aufmerksamkeit wieder dem steilen Hang zu, der vor seinen Füßen lag. Sie befanden sich nicht weit vom westlichen Ende des Sees, dort, wo der Fluss entsprang, der sich von hier aus auf seinen weiten Weg nach Car-Gonaredh machte. Es war der gleiche Fluss, an dessen Ufer der Sänger und die Priesterin entlanggeritten waren, als sie aus der Küstenstadt ins Landesinnere aufgebrochen waren. Sie hätten sich viel Mühe ersparen können, wenn sie gleich auf einem Boot hierhergefahren wären. Doch dann hätten sie das Feuer nicht gesehen, und dies war der einzige Grund, warum Jandaldon überhaupt in dieses Land gekommen war. Das Feuer – ja, es hatte ihn wirklich gereinigt. Viel von seinem alten Leid war in den Flammen dahingeschmolzen, auch wenn immer noch eine Last auf seinen Schultern verblieben war. Eine Last, die ihn weitertrieb, weiter und weiter seiner ungewissen Bestimmung entgegen. Würde sein

Weitere Kostenlose Bücher