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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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den Ständen vorbei. Während sie ihm folgte, erkannte Danira den Grund für das mangelnde Interesse des Jungen: Diese Ecke des Marktes war offenbar den Fischhändlern vorbehalten.
    »Ich weiß wirklich nicht, was den Ruf dieser Stadt ausmacht«, sagte Timon, als Danira ihn eingeholt hatte. »Der Markt zumindest bietet nichts, was es nicht auch in anderen Städten des Reiches gäbe.«
    »Ich kenne keine anderen Städte außer Car-Tiatha und Lornmund«, sagte Danira. »Und ich sehe auch keinen großen Unterschied zu dieser Stadt. Nur die Farben sind anders – die Gebäude hier bestehen aus einem merkwürdigen Stein.«
    »Ja, diesen roten Stein gibt es nur hier im Osten des Reiches. Aber Car-Niëllath ist fast genauso alt wie Car-Tiatha, und die Städte gleichen sich. Nun, zumindest eine Sache gibt es doch hier, die man in Car-Tiatha vergeblich sucht – frischen Seefisch.«
    Rasch wandte Timon sich von den Marktständen ab und ging weiter, dem Rand des Platzes entgegen. Danira folgte ihm nicht, denn ihre Gedanken kreisten immer noch um den Tag ihrer ersten Begegnung, als sie einsam vor einem Haus in Car-Tiatha gesessen hatte. Für einen kurzen Moment war Timon wieder zu dem fröhlichen Jungen von damals geworden, doch diese Illusion war so schnell verschwunden, wie sie erschienen war. Nun fühlte sie sich genauso verlassen wie an diesem Tag in Car-Tiatha, und sie ahnte, dass Timon tatsächlich nicht mehr der Junge war, den sie zu kennen glaubte.
    Ein schneller Blick zurück zeigte ihr, dass Loridan und Selina nicht weit entfernt waren. Sie standen nun an einem anderen Stand, an dem Tuche und einfache Kleidungsstücke feilgeboten wurden. Loridan blickte gerade zu ihr herüber, und mit einem Winken gab sie ihm zu verstehen, dass er sie am Ende der langen Reihe von Marktständen finden würde. Als Danira sich wieder zu Timon umwandte, sah sie ihn vor einem imposanten Gebäude am Rand des Marktplatzes stehen. Das Haus war wie der größte Teil der Stadt aus einem ungewöhnlichen Stein von braunroter Farbe errichtet. Das dunkle Rot gab der gesamten Stadt eine erhabene aber auch düstere Atmosphäre. Dieses Haus war allerdings noch erhabener und prächtiger als die anderen Gebäude, die sie bisher gesehen hatten. Drei Stockwerke war es hoch, und es verfügte über viele hohe Fenster. An den Ecken gab es kleine runde Türmchen mit spitzen Dächern. Zu beiden Seiten des Gebäudes schlossen sich Mauern an, mehr als mannshoch, über die man die Dächer von Nebengebäuden und die Wipfel von Bäumen sehen konnte. Zwei bronzene Statuen säumten die breite Treppe, die zum Portal des Hauses hinaufführte. Unter einem Vordach, das von zwei schwarzen Säulen getragen wurde, standen zwei Wächter in schimmernden Rüstungen, Hellebarden in den Händen und lange Schwerter an den Gürteln.
    Timon blieb kurz vor einer der beiden Statuen stehen, die auf einem Sockel aus dem gleichen roten Stein stand. Während Danira an seine Seite trat, wurde auch ihr Blick von der bronzenen Skulptur angezogen. Die glatte Oberfläche des kalten Metalls schimmerte in stumpfem Glanz. Einen Mann stellte die Statue dar, überlebensgroß und in kantigen, abstrahierenden Linien gestaltet. Die Statue hielt einen Arm nach oben gestreckt, und in ihrer Hand schimmerte eine Kugel aus rotem Glas, größer als der Kopf eines Menschen. Auch der Blick der Figur war zum Himmel gerichtet, während ihr zweiter Arm angewinkelt vor dem Körper lag, sodass die Hand auf der Brust ruhte.
    »Ich erinnere mich«, sagte Timon mit leiser Stimme. »Dies ist die Magiergilde von Car-Niëllath.«
    »Du erinnerst dich? Was meinst du damit?«
    »Ich habe hier gelebt, vor … vor … ich weiß nicht, wie lange es her ist.«
    »Du meinst Gerugrim?«, fragte Danira. »Ist er hier gewesen?«
    »Gerugrim?« Timon zögerte. »Nein, ich glaube, ich war nicht Gerugrim. Nicht zu dieser Zeit.«
    Verwundert sah Danira den Jungen an, unschlüssig, was seine Worte bedeuten sollten. Dieser schüttelte nur nachdenklich seinen Kopf, und sein Blick wandte sich wieder dem Eingang des Gebäudes zu. Langsam schritt er voran, die Stufen der Treppe empor. Zögernd ging auch Danira ein paar Schritte weiter, bis sie sah, wie sich die Blicke der Wächter ihnen zuwandten. Leise rief sie Timons Namen, doch der Junge schien ihren Ruf nicht gehört zu haben – oder zumindest beachtete er sie nicht, denn er war bereits bei den beiden Wachen angelangt. Die Soldaten hatten Timon bereits mit mürrischen Mienen

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