Brüder der Drachen
Offizier ein belustigtes Grinsen. Offenbar hatte der König die Wappen der abtrünnigen Fürstentümer bereits entfernen lassen.
Erst als er an einer Reihe von Säulen vorübergeschritten war, stellte Angbold erstaunt fest, dass auch Königin Jeslyn und ihr junger Sohn Gwyll anwesend waren. Normalerweise war der König darauf bedacht, seine Gemahlin und auch seinen Sohn aus den Reichsgeschäften weitgehend herauszuhalten. Sollte er seine Meinung darüber geändert haben? Nachdenklich fasste Angbold an die Augenklappe, die sein zerstörtes linkes Auge verdeckte. Eigentlich wäre es an der Zeit, den Jungen im Umgang mit den Waffen zu unterrichten – allerdings waren die Tage dieses Königreichs ohnehin gezählt. Der Prinz saß abseits von seinen Eltern am unteren Ende der Tafel und spielte mit seinem Löffel in einer Schale mit Brei herum. Acht Jahre war er jetzt alt, und die ständige Verhätschelung durch seine Mutter drohte ihn zu verweichlichen. Angbold grüßte die Königin mit einem knappen Kopfnicken. Jeslyn war noch immer von großer Schönheit, ihr goldblondes Haar umrahmte ein Gesicht mit weichen, aber edlen Zügen, doch ihr Blick verfinsterte sich, als sie den Offizier grüßte. Ohne die Königin weiter zu beachten, näherte Angbold sich dem Stuhl des Königs. Einige Schritte vor dem Monarchen ließ er sich auf ein Knie sinken und richtete seinen Blick zu Boden. Er brauchte nicht lange in dieser Haltung zu verharren, denn der König sprach ihn sofort an.
»Erhebt Euch, mein lieber Angbold. Und setzt Euch zu mir.« Gweregon wies auf einen der Stühle in seiner Nähe und bedeutete gleichzeitig seiner Gemahlin mit einem Wink, sich zu entfernen. Gehorsam erhob sich die Königin und verließ mit ihrem Sohn die Halle. Mit einem Lächeln sah Angbold hinter ihr her, denn ihm entging nicht der Widerwille, der in ihrem Blick lag. Erst als sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte, ergriff der König wieder das Wort.
»Meine Gemahlin sieht es nicht gerne, wenn ich mich mit Euch unterhalte. Sie glaubt, dass Ihr mich zu einem Krieg gegen Calidor aufhetzen wollt. Und sie hat mich darum gebeten, das Westreich anzuerkennen und den Frieden mit Calidor zu wahren, um des Wohles unseres Sohnes willen. Was meint Ihr dazu, Angbold? Denkt Ihr, dass ein Krieg das Wohlergehen meines Sohnes gefährdet?«
»Natürlich birgt ein Krieg Gefahren, mein König.« Angbold nahm einen Schluck aus dem Weinpokal, den ihm der eilfertige Mundschenk gereicht hatte. »Doch auch Calidor ist eine Gefahr – für Euren Sohn und für Euren Thron. Wenn Ihr Gwyll schützen wollt, müsst Ihr Calidor vernichten.«
»Aber wie kann ich Gwyll vor den Gefahren des Krieges schützen?« Ein gehetzter Ausdruck lag in den Augen des Königs. »Ihr habt eben selbst gesagt, dass ein Krieg Gefahren bringt.«
»Die Gefahren für Euren Sohn werden umso geringer sein, je weiter entfernt der Krieg von hier stattfindet. Ihr müsst Calidor direkt in Car-Osidia angreifen, dann sind seine Armeen dort gefesselt, und Euer Palast hier ist sicher.«
»Aber wie werden die Fürsten der westlichen Marken reagieren? Vielleicht werden sie Car-Tiatha angreifen. Was ist, wenn Navaris mit seiner Flotte Truppen über die See transportiert?« Gweregon stellte seinen Pokal geräuschvoll auf die Tischplatte und lockte dadurch den Mundschenk an, der mit der Weinkanne in der Hand auf den König zuging. Der junge Mann zögerte, als er erkannte, dass der Pokal des Königs noch halb voll war, doch Gweregon entriss ihm die Kanne und stellte sie vor sich auf den Tisch.
»Verschwinde! Und komm erst wieder, wenn mein Gespräch mit dem Hauptmann beendet ist«, befahl der König dem verdutzten Diener. »Man kann niemandem mehr vertrauen«, fügte er zu Angbold gewandt hinzu. »Calidor kann seine Spione überall haben.«
»Ihr habt recht, mein König«, sagte Angbold. »Dennoch denke ich, Ihr solltet Euch nicht um Calidors Verbündete sorgen. Sie sind alle Feiglinge und verstecken sich hinter Calidor, solange sie können. Wenn Eure Armeen Car-Osidia überrannt haben, werden die Fürsten des Westens auf Knien vor Euch kriechen und Eure Vergebung erflehen.«
»Aber um Car-Osidia anzugreifen, muss ich meine Armeen durchs Drachenland schicken. Und das kann ich nur, wenn es Tan-Thalion tatsächlich gelingt, die Drachen zu vertreiben. Denkt Ihr, dass er Erfolg haben wird?«
»Der Hofzauberer ist ein weiser Mann. Ich vertraue auf seine Fähigkeiten.«
»Tan-Thalion wird bald zu seiner
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