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Brüder der Drachen

Brüder der Drachen

Titel: Brüder der Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Weissbecker
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sich nichts anderes fand als ein Haufen Steine und ein paar Knochen.
    Ohne sich genauer umzusehen, wandte er sich wieder ab und begann sofort, ein Loch in die Erde neben der Hauswand zu graben. Das kleine Grab war schnell vollendet, denn die Gebeine würden nicht viel Platz benötigen. Schließlich betrat Deryn das Haus, um die sterblichen Überreste des Zauberers einzusammeln. Als er den Steinhaufen erreichte, überkam ihn wieder das ungute Gefühl, nicht allein in dem Haus zu sein. Er empfand einen plötzlichen Widerwillen, die bleichen Gebeine des Verstorbenen zu berühren. Stattdessen beschloss er, erst einmal ein paar der Steine aus dem Weg zu räumen, die mit den Knochen vermischt auf dem Haufen lagen.
    Als er einen größeren Stein anhob, lösten sich ein paar kleine Brocken und polterten zu Boden. Nachdem Deryn den Stein beiseitegewuchtet hatte, stellte er fest, dass einer der heruntergefallenen Klumpen die Hand des Skeletts war, die seltsamerweise nicht in ihre einzelnen Knochen zerfallen war. Sie lag mit dem Handrücken auf dem Boden, die Finger zu einer Faust gekrümmt, plötzlich jedoch bewegte sich der Zeigefinger und streckte sich aus, als wolle er irgendwohin zeigen. Deryn konnte nicht anders, als mit seinem Blick der gewiesenen Richtung zu folgen – und er glaubte, im rötlichen Licht der untergehenden Sonne ein metallisches Glänzen in der Zimmerecke wahrzunehmen. Er widerstand dem spontanen Impuls, nachzusehen, was es dort zu finden gab. Wenn er sich jetzt nicht überwand, die Knochen anzufassen, würde er es vielleicht nie tun.
    Entschlossen packte er sich einige der größeren Skelettteile und trug sie nach draußen. Noch viermal ging er hin und her, bis er glaubte, alle wesentlichen Teile gefunden zu haben. Schließlich bedeckte er die Knochen mit Erde und legte einen Kreis aus Steinen auf das Grab – als Symbol für Eril-Firion, das Auge des Wächters über die Lebenden und die Toten. Er war sich bewusst, dass nun ein paar Worte gesprochen werden sollten, und zögernd kniete er sich vor das Grab.
    »Firion, ich gebe hier die sterblichen Überreste einer einsamen Seele in deine Hand«, sagte Deryn. »Ich weiß nicht, wie er hieß, und ich weiß nicht, wie er starb. Es ist nicht viel von ihm übrig geblieben, aber du wirst ihn erkennen, wenn seine Seele vor deinem Thron in den himmlischen Gefilden steht. So nimm ihn denn zu dir und gib seiner Seele Frieden.«
    Er berührte mit seiner Hand das Symbol des Kreises und verharrte eine Weile regungslos, bis ihn eine Stimme aufschreckte.
    »Das hast du schön gesagt, Deryn.« Danira stand hinter ihm, ein unförmiges Bündel auf dem Rücken.
    »Bist du schon länger hier?« Deryn fühlte sich auf unangenehme Weise ertappt.
    »Nein, ich kam zufällig hier vorbei. Ich habe gerade meine Sachen zusammengesucht. Glaubst du, der alte Geist findet jetzt Ruhe?«
    »Nun, ja. Du meinst, du kennst diesen Geist?«
    »Natürlich, ich wohne schließlich schon länger in dieser Stadt.«
    »Du hast ihn also auch gesehen? Hat er auch zu dir gesprochen?« Deryn schwankte zwischen Unglauben und Freude über die Bestätigung seiner Vision.
    »Ja, aber meistens hat er nur düstere Prophezeiungen von sich gegeben. Nun, immerhin hat er mir auch das Schwert gezeigt.«
    »Er hat es dir gezeigt? Das Schwert, mit dem du mich neulich bedroht hast? Wo hast du es jetzt?«
    »Dort.« Danira zeigte mit dem Daumen hinter sich. Erst jetzt bemerkte Deryn, dass an dem Bündel auf ihrem Rücken auch ein Schwert in einer Lederscheide festgezurrt war.
    »Wollen wir jetzt gehen?«, fragte das Mädchen.
    »Ja, die anderen warten wahrscheinlich schon.« Deryn reichte Danira seine Hand, und sie wandten sich von dem Grab des Gelehrten ab, doch plötzlich verhielt er mitten im Schritt.
    »Einen Moment noch, ich habe etwas vergessen.« Nochmals lief er in das Haus und strebte der Ecke zu, in der er zuvor das Glänzen gesehen hatte. Das Licht war inzwischen noch schwächer geworden, und für einen Moment musste er suchen, bis er eine kleine Tafel aus einem hellen Material ertastete, die in einen Rahmen aus Metall eingefasst war. Sie war etwa so groß wie seine Handfläche. Deryn war sich über das Material, aus dem die Tafel gemacht war, nicht sicher – er konnte nur vermuten, dass es sich um Knochen handelte. Der Rahmen dagegen zeigte den unverwechselbaren Glanz, den nur Gold aufweist. Wie kam es, dass ein derartig wertvoller Gegenstand hier mehr als ein Jahrhundert überdauert hatte? Bei

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