Brüder Des Zorns
es zurückhaltend geschehen musste, heiterte sie ein bisschen auf.
Der Tag schritt fort, und Gasam begann sich zu langweilen. Bei Kämpfen wie diesen hatte er nichts zu tun außer den Offizieren zuzuhören, wenn sie Bericht erstatteten. Da sie sich in der Stadt nicht auskannten, war eine planvolle Durchsuchung der einzelnen Viertel nicht möglich. Ein paar Offiziere befanden sich jetzt in Sichtweite des Palastes, der zwar befestigt war, aber nicht beeindruckend aussah. Das waren gute Neuigkeiten. Mit Sicherheit hatte Mana seine Elitetruppen dort verschanzt, um seine königliche Haut vor Shasinnspeeren zu schützen.
In vielen Stadtteilen waren die Feuer außer Kontrolle geraten, und Gasam erließ den Befehl, die Gefangenen zur Bekämpfung der Brände einzusetzen. Ihm war es gleichgültig, ob die Stadt bis auf die Grundmauern niederbrannte, aber er wollte die allgemeine Verwirrung in Grenzen halten und nicht riskieren, dass seine Männer ums Leben kamen.
Am Spätnachmittag teilte man ihm mit, dass der größte Teil des Feuers eingedämmt und der Palast umstellt war. Gasam verließ seinen Ausguck und machte sich in Begleitung seiner Kriegerinnen auf den Weg zum Palast. Oft mussten sie Umwege auf sich nehmen, um brennende Häuser und Schutthaufen zu umgehen. Die Frauen waren blutbesudelt und zufrieden. Ihr dämonisches Aussehen reichte aus, um Feinde in die Flucht zu schlagen, und sie hatten überall, wo sie an diesem Tag aufgetaucht waren, Angst und Schrecken verbreitet.
Das Palastgelände von den Ausmaßen einer kleinen Stadt war von einer Mauer umgeben und lag inmitten eines gigantischen Platzes. Unzählige Statuen, Triumphbögen und freistehende Säulen standen scheinbar planlos herum. Im Augenblick wimmelte es von Gasams Soldaten, die aus voller Kehle sangen und den Verteidigern des Palastes Schmähungen zubrüllten. Als sie Gasam erblickten, jubelten sie ihm zu. Mit schnellen Schritten eilte er zu einer Gruppe von Offizieren.
»Hat er sich schon nach unseren Bedingungen erkundigt?«
»Er schickte keine Boten, und wir sahen auch keine weiße Fahne«, antwortete Raba.
»Willst du etwa mit diesem Feigling verhandeln, mein König?« fragte Urlik.
»Dafür gibt es keine Veranlassung. Sein Reich gehört mir, und er hat mir nichts mehr zu bieten. Dennoch wäre es interessant zu wissen, wie verzweifelt er ist. Befinden sich starke Truppen im Palast?«
»Es gibt einen Weg, das herauszufinden«, erklärte Raba. »Lass uns angreifen.«
Gasam lachte. »Deine Ratschläge lauten immer gleich.« Er blickte zur Sonne hinauf, die dicht über der westlichen Stadtmauer hing. »Nein, es wird bald dunkel. Wir kämpfen morgen früh. Ich will, dass eine undurchdringliche Mauer aus Wächtern den Palast umgibt. Niemand darf entkommen. Sollen sie da drinnen langsam verrückt werden. Entfacht große Feuer auf dem Platz. Die Männer dürfen die ganze Nacht singen und feiern. Niemand darf sich betrinken, aber die Feinde sollen wissen, dass wir ihren Tod bejubeln.«
Er sah sich um. »Errichtet in der Nähe des Haupteingangs für mich ein Zelt. Wenn er Unterhändler ausschickt, höre ich sie an, auch wenn es nur zu meiner Belustigung dient.«
Seine Befehle wurden ausgeführt. Als der Mond über der Stadt aufging, ruhte Gasam unter einem Baldachin aus Quilhaar und nippte an einer Schüssel Ghul, während die jüngsten Kriegerinnen zum Dröhnen der Trommeln und Schrillen der Flöten einen äußerst sinnlichen Kriegstanz aufführten. Die zerstörte Stadt hallte vom Lärm der Eroberer wider. Das Licht ihrer Freudenfeuer erhellte den nächtlichen Himmel. Die Brände in den Gebäuden waren gelöscht, aber die Balken und Möbel der Häuser dienten dazu, die riesigen Feuer auf dem Platz zu nähren. Geschäfte und Lagerhäuser waren geplündert worden, und die Männer feierten. Scharfäugige Offiziere wachten darüber, dass sich niemand betrank. Ein Viertel des gesamten Heeres stand jederzeit an den Schilden, um auf einen Ausfall der Feinde gefasst zu sein.
Aus dem Palast drang keinerlei Lärm. Ein paar Fackeln brannten entlang der Mauer, und schattenhafte Gestalten patrouillierten von Zeit zu Zeit auf dem Wehrgang. Das Tor blieb verschlossen.
Am nächsten Morgen hatte sich nichts geändert. Kein Unterhändler war erschienen, um mit den Siegern zu verhandeln, aber man hatte auch keine besonderen Verteidigungsanstrengungen unternommen. Aus dem Palast drang nichts als Schweigen. Erstaunt über die ungewöhnliche Stille verhielten sich auch
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