Brüder Des Zorns
Verteidiger im Vorteil. Feinde, die Leitern emporkletterten oder über Stege rannten, wurden anfangs von drei oder mehr Soldaten erwartet, die sie mit Leichtigkeit besiegten. Leitern wurden mit bloßen Händen umgestürzt, und manche verließen ihre Posten auf den Wehrgängen, um auf die Stege zu springen und sich dem Gegner auf diesem schwanken Untergrund in den Weg zu stellen, damit den Angreifern der Zugang zur Stadt verwehrt blieb. Der Kampf schien lange unentschieden, da weder die eine noch die andere Seite einen Vorteil errang. Die ganze Zeit über ließen alle Verteidiger, die keinem Feind unmittelbar gegenüberstanden, nicht nach, für unaufhörlichen Geschoßhagel zu sorgen, der jetzt durch Kessel mit siedendem Öl und mit Pech gefüllte Krüge unterstützt wurde, in deren Öffnung brennende Lumpen steckten. Beim Aufprall explodierten die Gefäße und überschütteten jeden in Reichweite mit flammender Flüssigkeit.
Mit großer Befriedigung beobachtete Gasam das Spektakel. Es war ein erhebender Anblick, tapferen Männern beim Kampf zuzusehen, selbst wenn es sich um Feinde handelte. Außerdem schlugen sich seine Truppen hervorragend. Inzwischen waren die Festlandsoldaten beinahe so fanatisch und treu ergeben wie seine Insulaner. Sobald sie sich an die Knute des Eroberers gewöhnt harten, folgten sie dem immer siegreichen König voller Dankbarkeit und leisteten ihm bessere Dienste, als ihre früheren Herren je erwartet hätten.
Mit Freude sah er, wie gut sich die Sonoaner schlugen. Ihre Vorstellung auf dem offenen Schlachtfeld hatte ihm nicht gefallen, aber bei der Verteidigung ihrer Stadt zeigten sie sich so kämpferisch wie Langhälse. Wenn sie erst besiegt waren, würden sie hervorragende Soldaten in seinem Heer werden. Schon jetzt überlegte er, wie er die Regimenter Sonos am besten aufstellen sollte. Gasam beschloss, sich den einfachen Soldaten gegenüber großzügig zu zeigen, wenn er die Herrschenden beseitigt hatte. Manas Feigheit und Unnachgiebigkeit hatten zur Belagerung der Stadt geführt, und er würde dem König von Sono die alleinige Schuld zuschieben. Sobald sie sich an den Gedanken gewöhnt hatten, würde der Stolz die Männer glauben machen, bisher unter einem unfähigen König gedient zu haben und jetzt zu ihrem großen Glück dem Eroberer zu dienen, der sie auch hätte töten können.
Gasam war kein gnädiger Mann, denn dieses Gefühl war ihm völlig fremd. Er brauchte ein riesiges Heer, um den anstrengenden Wüstenfeldzug zu bewältigen. Zum ersten Mal in seinem Leben musste er sich um Dinge wie Vorratslager und Festungen kümmern. Das bedeutete die Einrichtung von Garnisonen, und jeder wahre Krieger hasste den Garnisonsdienst. Bestimmt waren die Sonoaner dafür wie geschaffen.
An der Bresche hatte die Infanterie die Verteidiger inzwischen zurückgedrängt und gewann Stück für Stück an Boden. Im Schutz der Schilde zerrten ein paar Soldaten die Gefallenen beiseite, damit die Kämpfer nicht über die Leichen stolperten. Die langen Speere stießen Verteidiger von den hastig errichteten Barrikaden aus Holz und Schutt. Krieger aus der zweiten Reihe hielten die Speere hoch erhoben, um die vor ihnen stehenden Kameraden nicht zu treffen, und halfen mit, die Gegner zurückzutreiben. Alle, die nicht am unmittelbaren Gefecht beteiligt waren, räumten Schutt und Steine aus dem Weg, um die eigentliche Lücke im Mauerwerk zu vergrößern. Andere Männer hielten die Schilde über den Kopf und bildeten ein schützendes Dach gegen die von oben fallenden Geschosse. Gebrüll, Fluchen und Kreischen erfüllten die Luft.
Allmählich eroberten sich auch die Krieger auf den Türmen und Leitern einen Platz auf den Wehrgängen. Sobald ihnen das gelungen war, gab es kaum Schwierigkeiten, die Verteidiger zu vernichten. Den auf beiden Flanken ungeschützten Sonoanern blieb nichts anderes übrig, als bis zum bitteren Ende zu kämpfen oder den Sprung in die Tiefe auf das Dach eines Hauses zu wagen.
Gasam hatte nicht vor, seine Reserven einzusetzen, ehe er auf der Mauer stand und einen guten Überblick über den Kampf in den Straßen bekam. Das derzeitige Stadium des Kampfes langweilte ihn. Er war zum bloßen Zuschauen verurteilt und vermochte den Verlauf der Schlacht nicht zu beeinflussen, während seine Offiziere das Kommando führten.
Immer mehr Krieger stürmten heran, und der Widerstand wurde geringer. Hinter den Türmen standen reihenweise Soldaten, die darauf warteten, ihren Platz auf den Wehrgängen des
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