Brüder Des Zorns
Aber der König lachte nur noch lauter. Nichts konnte die gute Laune verderben, die ihm seine Gemahlin beschert hatte.
»Lass ihn noch eine Weile am Leben, Geliebter«, sagte Larissa. »Ich habe bestimmte Pläne, und eigentlich ist er lebendig wertvoller, nicht wahr? Ich bitte dich, töte ihn noch nicht.«
Den Arm um ihre Schultern gelegt, sah er ihr lächelnd in die Augen. »Kann ich dir jemals etwas abschlagen, kleine Königin? Es stimmt, jeder Tag, den er als mein Gefangener verbringt, lässt seinen Vater Höllenqualen leiden. Wenn er stirbt, wird Hael es schnell verwinden. Nein, ich mache mir ein Vergnügen daraus, ihn als meinen Besitz zu betrachten.«
»Ich wusste, dass du so klug handeln würdest. Wir haben uns viel zu erzählen, mein König.«
»Es gibt auch viel zu tun. Aber zuerst, Geliebte, zeige ich dir meine neueste Eroberung, solange noch etwas davon existiert.« Er wandte sich an jemand, der hinter Ansa stand. »Bringt ihn in unser Zelt und bewacht ihn. Er darf nicht verletzt werden, schon gar nicht durch eigene Hand.«
Ein zustimmendes Grunzen erklang, und Ansa wurde in die Höhe gerissen. In ein Gespräch vertieft, schlenderte das Königspaar davon. Ansa wurde zum Zelt gebracht und bemerkte zu seinem Erstaunen, dass keine Shasinn um ihn waren. Seine Oberarme wurden gegen weiche Haut gepresst, und als er einen Blick zur Seite warf, sah er nicht den muskulösen Oberkörper eines Kriegers, sondern eine weibliche Brust. Zwei Frauen zerrten ihn davon, die furchterregend aussahen. Wie rote Tränen baumelten Rubine an den durchbohrten Brustwarzen der einen, goldene Ringe an denen der anderen. Sie waren bemalt, mit sorgfältig eingeritzten Narben übersät und rochen ausgesprochen seltsam.
Das Zelt war in mehrere Räume unterteilt. Sie schleiften ihn in ein Gemach im hinteren Teil und warfen ihn auf einen Stapel Teppiche. Dann ließen sie sich ihm gegenüber nieder, die Waffen über die Knie gelegt. Die eine Frau trug einen Kurzspeer bei sich, die andere eine Axt mit biegsamem Stiel. Ihm fiel auf, dass beide Waffen aus Stahl bestanden. Falls die beiden zu einer Elitetruppe gehörten, waren sie die seltsamsten Kriegerinnen, die er je gesehen hatte.
»Ich bin Ansa. Wer seid ihr? Woher kommt ihr?« Sie bedachten ihn mit eisigen Blicken, sahen einander an, dann wieder den Gefangenen. »Der König hat euch nicht verboten, mit mir zu sprechen, oder? Was ist daran so schlimm?« Sie starrten ihn eine Weile schweigend an, und er entschied, dass sie ihn nicht verstanden. Vielleicht waren sie stumm.
»Du bist der Feind unseres Königs«, sagte die Frau mit den goldenen Ringen unvermittelt. »Warum sollen wir mit dir reden?« Sie sprach mit starkem südlichem Dialekt, und der Pflock in ihrer Unterlippe verlieh ihr eine seltsame Aussprache, aber sie war zu verstehen.
»Schon besser. Ihr solltet mit mir reden, weil ihr euch gegenseitig langweilt. Wie heißt ihr?«
»Ich bin Pirscherin«, antwortete die Frau mit den Goldringen. Sie nickte ihrer Gefährtin zu. »Das ist Bluttrinkerin.«
»Ihr habt sehr ungewöhnliche Namen«, bemerkte Ansa.
»Wir bekommen erst einen Namen, wenn wir ihn uns verdienen. Wir sind die tapfersten Kriegerinnen des Königs und stammen von der Küste und den Inseln im Süden Chiwas.« Beim Sprechen blitzte Metall im Mund der Frau auf, und er fragte sich, welche seltsame Bedeutung dahinterstecken mochte.
»Wer bist du?« erkundigte sich die Frau mit den Rubinen. »Aus welchem Land stammst du?«
»Ich bin der älteste Sohn des Steppenkönigs Hael. Meine Heimat liegt weit nordöstlich dieses Landes. Wir sind ein Volk der Reiter und Bogenschützen. Wir durchqueren die Steppe frei wie der Wind und jagen, wie es uns gefällt. Bei uns sind alle gleichrangig, und wir erkennen niemanden als Herrscher an.«
»Warum bist du dann fortgegangen?« fragte Pirscherin.
Er lachte. Es war ein kurzes, bitteres Lachen. »Ich bereue es inzwischen. Warum folgt ihr König Gasam?«
»Von Kindheit an wurden wir dazu erzogen, einem König zu dienen, dem König von Chiwa«, erklärte Bluttrinkerin. »Er war aber unwürdig, und Gasam besiegte ihn und machte uns zu seinen Sklavinnen. Später holte er uns aus den Pferchen und ernannte uns zu seinen Leibwächterinnen. Er lehrte uns, dass es uns bestimmt ist, an seiner Seite zu kämpfen, wenn er die Welt erobert.«
»Er ist mehr als ein König«, warf Pirscherin ein. »Er ist ein Gott.«
Sie meinten es ernst. Ihre Augen leuchteten fanatisch, wenn sie von Gasam
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