Brüder Des Zorns
Reitergruppe bemerkte, wich der wütende Gesichtsausdruck einem breitem Grinsen. Er sprang die Stufen der Plattform wie ein Junge hinunter, der seiner ersten Liebe entgegeneilt. Er rannte zu den Cabos und riss Larissa in die Arme. Gasam’ wirbelte sie ein paar Mal herum und stellte sie dann ab. Die beiden küssten und umarmten sich leidenschaftlich. Ansa wunderte sich über die öffentliche Zurschaustellung ihrer Liebe. Aber natürlich war den beiden völlig egal, was andere Menschen dachten.
Auf den ersten Blick wirkte Gasam nicht besonders furchteinflößend. Er sah wie die anderen Shasinn aus, die einander so ähnlich waren, als seien sie Brüder. Da sich das Königspaar ausschließlich um sich selbst kümmerte, musterte er die übrigen Krieger, die untätig herumstanden.
Am auffallendsten wirkten die älteren Shasinn. Sie trugen die langen Haare in unterschiedlichen Frisuren und sahen ebenso gut und anmutig aus wie die jungen Burschen. Ihre Körper waren mit Narben übersät, und ihre Züge trugen die Zeichen langer, harter Kämpfe und Gemetzel.
Einige Krieger vermochte er dank der Schilderungen seines Vaters anderen Inselstämmen zuzuordnen. Außerdem erblickte er Nevaner, Chiwaner sowie Krieger, die Völkern angehörten, von denen er nie gehört hatte.
Endlich löste sich der König aus der innigen Umarmung. »Kleine Königin, ich kann dir nicht sagen, wie sehr ich dich vermisst habe.«
»Und ich habe dich vermisst, Geliebter«, stieß sie atemlos hervor. Sie sah sich um. »Was geht hier vor? Es hat den Anschein, als wolltest du die Stadt vernichten und ihre Bewohner in alle Winde verstreuen.«
»Genau das habe ich vor.« Wieder verdüsterte sich seine Miene. »Schon der Gedanke an diese Stadt macht mich wütend. Der elende Mana, der nicht verdient, König genannt zu werden, hat mich beleidigt, wie ich nie zuvor beleidigt wurde.« Er berichtete von dem Scheiterhaufen.
»Er hat mich um meine gerechte Rache betrogen!« fauchte Gasam. »Das ist unerträglich! Ich werde den Namen dieser Stadt auslöschen. Sie wird dem Erdboden gleichgemacht, und ich lasse Erde und Gras über die Ruinen werfen. Der Ort wird eine gute Weide abgeben.«
Beruhigend streichelte sie seine Brust. »Geliebter, Sono ist jetzt ein Teil deines Reiches. Es sollte eine Hauptstadt haben.«
»Wir gründen eine neue Hauptstadt. Suche dir einen Ort im Norden aus, den wir ausbauen. Außerdem ist eine nördlich gelegene Stadt viel günstiger für uns.«
»Das stimmt.« Die Bedeutung des Wortwechsels blieb Ansa verborgen.
Der König erblickte Ansa und sah ihn erstaunt an. »Wer ist der Junge?« fragte er. Larissa nickte ihren Leibwächtern zu. Zwei von ihnen lösten seine Fußfesseln und rissen ihn aus dem Sattel. Sie zerrten ihn vor den König und zwangen ihn niederzuknien. Mit den Speeren hielten sie ihn in dieser Stellung fest. Ansa gab alle Hoffnung auf. Seine Furcht war groß.
»Das ist mein Geschenk für dich, Geliebter. Ein einzigartiges Geschenk. Ich hätte die ganze Welt absuchen können, ohne dergleichen zu finden, aber das Schicksal ließ es mir in den Schoß fallen, und es wird deine Wut über den Ausgang der Belagerung besänftigen.«
»Jetzt bin ich völlig verwirrt«, meinte der König. »Was könnte mir so viel Freude bereiten? Ist das ein Sohn Manas, den man bis jetzt verschwieg? Er sieht aber nicht wie ein Sonoaner aus.«
»Viel besser. Das ist Artsa, der älteste Sohn König Haels.«
Ansa erwartete den tödlichen Schlag, aber nichts geschah. Ein ersticktes Geräusch drang aus Gasams Kehle, das sich kurz darauf wiederholte. Das Geräusch wurde lauter und lauter und verwandelte sich schließlich in ein schallendes Lachen. Trotz der Speere hob Ansa den Kopf und sah Gasam ins Gesicht. Er hatte die Augen eines Raubtieres erwartet, eines bösartigen Langhalses, aber er hatte sich geirrt. Es schien, als blicke er in den Himmel in einer mondlosen Nacht, einen Himmel ohne Sterne. Die Augen waren schwarz und unergründlich. Gasam war nicht bloß verrückt, er war mehr als ein menschliches Wesen.
»Das also ist der Sohn meines Stiefbruders Hael? Sei gegrüßt, Junge.«
»Sei gegrüßt, Stiefonkel«, antwortete Ansa. Gasam musste erneut lachen.
»Wie soll ich dich töten? Du darfst nicht so schnell sterben wie gewöhnliche Männer.«
»Dann berate dich besser mit deiner Königin. Vater hat immer gesagt, es mangele dir an Phantasie.« Er hoffte, Gasam würde sich vergessen und rasch zuschlagen, wenn er ihn genügend reizte.
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