Brüder Des Zorns
als ein alter Mann ist?«
»Wenn es soweit ist, habe ich längst die ganze Welt erobert, und niemand wird es wagen, mir Ehrerbietung zu verweigern.«
»Mein Gemahl«, sagte sie ohne Gnade, »du hast schon vor langer Zeit damit gerechnet, die Welt zu beherrschen. Als wir anfingen, wussten wir gar nicht, wie groß sie ist. Hinter Haels Reich liegen andere Länder und vielleicht noch mehr, von denen wir nichts wissen. In wie vielen Jahren willst du das alles unterwerfen? Der Gedanke treibt mir Tränen in die Augen.«
»Sobald ich die Steppe erobert und Hael besiegt habe, marschiere ich über die Berge nach Westen. Omia wird mir wie eine reiche Frucht in den Schoß fallen, und Neva wird umzingelt und fällt ebenfalls. Dann habe ich, was ich will, und bin zufrieden.«
»Geliebter«, meinte sie mit tadelndem Unterton, »du wirst nie zufrieden sein, und ich auch nicht. Nicht, solange auch nur ein einziger Mensch atmet, der dich nicht als Gott und König anerkennt. Solange es fremde Länder gibt, musst du sie suchen und unterjochen.«
Sie hatte schonungslos gesprochen. Jetzt wurde ihre Stimme sanft und einschmeichelnd. »Das muss uns alles nicht bedrücken. Es kann uns gleichgültig sein, wie lange die Eroberung dauert, wenn wir ewige Jugend besitzen.«
Nach einer Weile antwortete Gasam: »Nun, es kann nicht schaden, sich mit der Schlucht zu befassen. Wenn wir nach Norden ziehen, kommen wir an dem Gebiet vorbei. Es kann sicher nicht schaden, wenn wir es erobern.«
Das verstand Ansa nicht. Sicherlich wollten sie als nächstes Gran erobern, oder nicht? Warum sollten sie nach Norden ziehen, in Richtung Wüste?
»Eine Schluchtlerin befindet sich ganz in der Nähe«, erklärte Larissa. »Wenn sie erfährt, dass wir ihren Liebhaber gefangen haben, kommt sie vielleicht hierher. Dann werde ich herausfinden, was sie weiß.«
»Vielleicht kommt sie nicht«, warf Gasam ein. »Was hat der Junge mit ihr zu tun? Ein Liebhaber? Er gehört nicht zu ihrem Volk, und wer hat je gehört, dass sich die Schluchtler Gefährten außerhalb ihres Volkes suchen?«
»Ich behaupte, wir hätten ihn bloß als Geisel mitgenommen. Wenn sie erfährt, ich wäre krank und würde sie reich belohnen, wenn sie mich heilt, kommt sie vielleicht in der Hoffnung, ihn freikaufen zu können.«
Gasam gähnte. »Vielleicht. Und wenn nicht, hole ich dir so viele Schluchtler, wie du brauchst. Von mir aus auch alle, wenn wir nach Norden zur Stahlmine marschieren. Der Krater liegt nur wenige Tagesreisen von der Schlucht entfernt.«
Ansa glaubte, das Blut in seinen Adern würde gefrieren. Sie wussten, wo die Stahlmine lag! Wenn sie schon bald aufbrachen, würde niemand sie aufhalten können. Bei dem Gedanken, Gasam könnte die Herrschaft über das größte Stahlvorkommen der Welt erringen, brach ihm der Schweiß aus. Was sollte er tun? Als er schließlich einschlief, wurde er von furchtbaren Alpträumen geplagt.
KAPITEL NEUNZEHN
F yana wartete mit grimmiger Miene. Sie hatte die Königin, die sich mit ihren Ministern beriet, schon vor Stunden verlassen. Der König befand sich auf dem Wege der Besserung. Er war in der Lage, aufrecht zu sitzen und zu sprechen, ermüdete aber schnell. Fyana fühlte sich erschöpft. Sie lehnte sich im Stuhl zurück und seufzte. Wie gerne wäre sie von hier fortgegangen! Die Königin hatte ihr eine hohe Belohnung versprochen, aber der Herrscher war nicht so klug wie seine Frau. Fyana wusste, dass sich jegliche Dankbarkeit, die er ihr gegenüber im Augenblick empfand, nach seiner Genesung in Zorn verwandeln würde. Es wäre anders gekommen, wenn sie ihm nur ein Gegengift eingeflößt hätte, das ihn auf der Stelle und ohne Schmerzen heilte. Die Behandlung war langwierig, anstrengend und sehr würdelos verlaufen. Die Stallburschen, die ihr geholfen hatten, taten ihr leid. Vielleicht ließ er sie hinrichten, weil sie Hand an seinen königlichen Leib gelegt hatten.
Als die Diplomaten zurückkehrten, hatte sie sich von Herzen gefreut. Sobald sie bemerkte, dass sich Ansa nicht bei ihnen befand, erfüllte sie Verzweiflung. Sie hatte die Männer befragt und nur ausweichende Antworten erhalten. Fyana befürchtete das Schlimmste. Am liebsten wäre sie sofort aufgebrochen, um nach ihm zu suchen, hatte der Königin aber einen letzten Gefallen versprechen müssen. Die Tür schwang auf, und Fyana öffnete die Augen.
»Lady Fyana?« Es war Lord Floris, der geradewegs aus den Gemächern der Königin kam.
»Es ist sehr freundlich, dass du
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