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Brüder Des Zorns

Brüder Des Zorns

Titel: Brüder Des Zorns Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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Larissa.
    »Ich nahm immer an, sie wäre so alt wie ich, also ungefähr zwanzig Jahre, aber …«
    »Aber?« fragte sie voller Ungeduld.
    »Du erinnerst dich sicher, dass ich erklärte, dass eines der Anzeichen für fortgeschrittenes Alter die unterschiedliche Haltung der einzelnen Schluchtbewohner ist. Nun, oft kommt es mir so vor, als würde sie sich reifer benehmen, als es ihrem Alter zusteht.«
    Jetzt beugte sie sich aufgeregt vor. »Erkläre es mir genauer.«
    »Sie spricht ernst und überlegt, wie man es nicht bei einer so jungen Frau erwartet. Es hört sich so an, als rede eine Frau mittleren Alters oder gar eine wirklich alte Dame. Und selbst Fremde begegnen ihr mit einer Ehrerbietung, die üblicherweise nur weisen Frauen und vornehmsten Damen erwiesen wird.«
    »Warst du ihr Liebhaber?«
    »Ja.« Er sah keinen Grund, Larissa anzulügen.
    »Gut, dann hast du sie nackt gesehen. Ist ihr Fleisch fest und straff wie das einer jungen Frau?«
    »Es ist weicher als Quellwasser, weicher als die Flaumfedern eines Kükens. Ihre Haut ist faltenlos wie die eines Säuglings.«
    Die Königin zischte leise, als suche sie eine Erinnerung an etwas Kostbares, längst Vergangenes heim.
    »Zeigt ihr Bauch Merkmale einer Geburt?«
    »Nein.«
    »Vielleicht können sie die Anzeichen verschwinden lassen«, murmelte sie vor sich hin. Dann, wieder an Ansa gewandt: »Ist sie eng?«
    Einen Augenblick lang verstand er sie nicht. Als er begriff, sah er kein Anzeichen von Gelassenheit in ihrer Miene. Sie war todernst und angespannt.
    »Sehr«, antwortete er wahrheitsgemäß.
    »Wie eine Jungfrau?«
    Obwohl er Larissa mit seinen Antworten beeinflussen wollte, errötete Ansa unwillkürlich. »Nicht ganz. Ich meine, sie war, wie du es ausdrückst, eng, aber nicht unangenehm oder …« Er wusste nicht weiter.
    »Strapaziere meine Geduld nicht!« fauchte sie. »Du redest mit jemand, der gar nicht weiß, was Verlegenheit bedeutet! Also: Sie ist schön, hat den Körper einer Jungfrau und liebt dennoch mit dem Geschick und der Erfahrung einer älteren Frau? Ein gutaussehender Bursche wie du muss doch Erfahrungen mit den heißblütigen Ehefrauen abwesender Männer haben, oder aber dein Volk ist völlig anders als alle anderen!«
    »Du hast recht«, gab er zu. Er wollte nicht übertreiben, damit sie keinen Verdacht schöpfte. »Ich kann nicht mit Sicherheit behaupten, dass sie älter ist, als ich annahm. Nur ihr Benehmen und ihre Haltung legen die Vermutung nahe.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich denke, deine Vermutung trifft zu.« Es klang, als habe Ansa von Anfang an nichts anderes behauptet. »Vielleicht ist sie eine Frau meines Alters und sieht nur jung aus.«
    Plötzlich sprang sie auf und sah ihn an. »Wenn wir meinen Gemahl treffen, bitte ich ihn vielleicht, dich nicht auf der Stelle zu töten.« Sie drehte sich um und ging davon.
    Ansa blieb allein am Feuer zurück. Die Krieger beachteten ihn kaum, und er stieß den lange angehaltenen Atem aus und seufzte abgrundtief. Hatte er sein Leben verlängert? Er hoffte es. Kaum zu glauben, dass sie seine Worte für bare Münze nahm. Eine Frau von so überragender Klugheit musste eigentlich erkennen, dass er ihr nur erzählte, was sie hören wollte, und ihre Gedanken in Worte kleidete.
    Dann fiel ihm ein, was Fyana über den verzweifelten Wunsch der Kranken erzählt hatte, die unbedingt glauben wollten, dass jemand sie heilen könne, und die eine leichte Beute für Scharlatane waren. Er hatte Larissas Schwäche erkannt und darauf gesetzt. Jetzt musste er nur noch einen Weg finden, seinen Vorteil zu nutzen. Das Wissen, dass Schluchtler das Geheimnis ewiger Jugend besaßen – was natürlich nicht stimmte –, reichte nicht aus, um seinen Hals zu retten. Er musste eingehend darüber nachdenken.
    Plötzlich überfiel ihn ein Gedanke: Was ist, wenn es doch wahr wäre?
     
    Der Blick auf Huato bot sich ihnen von einer Hügelkuppe aus. Die gewundene Straße verlief jetzt leicht bergab in das Flusstal hinunter. Sie hatten den Gestank und Schmutz eines Feldlagers erwartet. Stattdessen wurden sie eher an einen Jahrmarkt erinnert. Rings um die Stadt standen bunte Zelte. In weiter Ferne näherten sich von Westen Karawanen, die größtenteils aus unbeladenen Nusks bestanden. Die Straße aus dem Norden bot ein ähnliches Bild, nur trotteten statt der Nusks Buckler einher.
    »Oh, wie schön!« rief Larissa strahlend. »Die Belagerung ist vorüber! Mein Gemahl hat die Stadt erobert.«
    »Ehre dem König!«

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