Brüder Des Zorns
braucht und hohe Preise bezahlt. Diese Erklärung sollte ausreichen, um das Land nach neuen Quellen abzusuchen; sie klingt vernünftig und einleuchtend.«
»Was möchtet Ihr alles wissen, Gebieterin?« erkundigte sich ein graubärtiger Mann mit einer Hakennase. Er war in die Gewänder eines wohlhabenden Kaufmanns gekleidet.
»Zuerst einmal das Übliche: die genaue Lage jedes Dorfes, Bevölkerung, Wasserstellen, Weideland, Ackerbau und so weiter. Erzvorkommen, Viehzucht, Jagdgebiete oder Menschen mit ungewöhnlichen Fähigkeiten. Besonderheiten der Jahreszeiten, die einem Heer helfen oder es behindern. Wann ist das Gras hoch genug zum Abweiden, welche Ströme treten über die Ufer und dergleichen. Außerdem brauche ich Landkarten, genaue Landkarten.«
»Selbstverständlich werden wir das erledigen«, antwortete der Graubart.
»Meine Königin!« meldete sich einer der Palana mit leise klingelnden Glöckchen zu Wort. »Die Schluchtler …«
»Was ist mit ihnen?« fragte sie unwirsch.
»Man sagt, sie wären Zauberer.« Er warf den anderen einen unsicheren Blick zu. »Mächtige Zauberer.«
»Das glaube ich nicht«, erwiderte sie, nur halb die Wahrheit sprechend, da sie die Meinung ihres Gemahls nicht ganz teilte. »Sollten sie doch über magische Kräfte verfügen, möchte ich alles darüber wissen.« Sie bemerkte die furchtsamen Mienen der Männer. »Ich bitte euch, meine Herren, glaubt ihr etwa allen Ernstes, dass mächtige Magier sich herablassen, harmlose Kaufleute mit Zaubersprüchen zu belegen? Männer wie ihr, die sich ganz anderen Schwierigkeiten tapfer stellten, sollten doch keine Angst haben.« Als sie die beschämten Gesichter betrachtete, wandte sie sich zufrieden wieder an den Graubart. »Meister Hildas, habt ihr von den Männern gehört, die nach der Stahlmine suchen?«
»Die meisten kehrten mit wenig nützlichen Neuigkeiten zurück. Die Wüste ist groß und ungastlich. Zwei haben sich noch nicht gemeldet. Es sind Ingist und Haffle. Sie schworen, nicht ohne die gewünschten Nachrichten zurückzukehren.«
»Wären bloß alle meine Diener so entschlossen«, seufzte Larissa. »Ich erinnere mich an die beiden. Sie sind mutig und zäh. Vielleicht melden sie sich noch. Seit wann sind sie fort?«
»Seit zwei Jahren, Herrin«, antwortete Hildas. »Die letzte Botschaft, die ich vor einem Jahr erhielt, besagte, dass sie einen seltsamen Wüstenstamm getroffen hätten, der auf flugunfähigen Vögeln reitet, ähnlich den Mordvögeln, aber gezähmt.«
»Vogelreiter!« Die Königin konnte sich ein Lachen nicht verbeißen. »Die Welt ist voller Überraschungen. Wenn sie noch leben, hören wir sicher bald von ihnen.
Und ihr anderen werdet euch auf die neue Aufgabe vorbereiten. Ruhm und Ehre dem König!«
»Ruhm und Ehre dem König!« erklang es im Chor.
»Ruhm und Ehre dem König!« Der Ruf schallte aus mehreren tausend Kehlen durch das Tal, in dem sich die Einheiten aufgestellt hatten.
Der König stand mit seinen höchsten Offizieren auf einer steinernen Plattform am Ende des riesigen Paradeplatzes, den ein längst vergessener Herrscher einst hatte anlegen lassen. Statuen standen in langen Reihen zu beiden Seiten. Jede war doppelt so hoch wie ein ausgewachsener Mann und stellte eine kauernde Gottheit mit einem Tiergesicht dar. Der König hob den funkelnden Speer, und die Armee trat Einheit für Einheit vor, um sich begutachten zu lassen.
Gasam salutierte, als eine Truppe nach der anderen an ihm vorbeimarschierte. Er liebte diese Zeremonie. Nie spürte er seine Macht so deutlich wie in dem Augenblick, in dem er das Heer betrachtete. Die Einheiten waren in Rassen und Waffengattungen aufgeteilt, um einen sinnvollen Einsatz zu ermöglichen.
Zuerst kamen seine persönlichen Lieblinge, die weiblichen Krieger, die aus den barbarischen Dschungelstämmen aus den Bergen und entlang der Küste stammten. Von Kindheit an waren sie dazu erzogen, zuerst dem König von Chiwa und jetzt Gasam zu dienen. Sie vermochten die Feinde schon durch ihr abschreckendes Aussehen in Furcht zu versetzen. Die Körper waren mit Tätowierungen übersät, Lippen und Ohren schmückten grobe Holzpflöcke, und von den durchstochenen Brustwarzen baumelten Amulette. Die Federn und Tierfelle wirkten barbarisch, aber ihre Waffen – Kurzspeere, Kriegsbeile und kurze Schwerter – zählten zu den besten, die Gasams Armee besaß. Im Kampf erwiesen sich die Frauen als gnadenlos und grausam.
Die nachfolgenden Einheiten wirkten vergleichsweise
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