Brüder im Kosmos
Dermod erbittert, bestand für die meisten Leute die ganze Freiheit darin, einen schlechtbezahlten Arbeitsplatz aufzugeben und sich einen neuen zu suchen, wo sie dann genauso weiterschufteten wie zuvor. Und wenn die Gegensätze zwischen verschiedenen Gruppen oder Rassen explosive Formen annahmen, sorgte die Wache für ein Ventil, bevor unkontrollierbare Unruhen oder Aufstände losbrechen konnten: sie arrangierte einen begrenzten Krieg für die verfeindeten Parteien, fernab vom Krisenherd, in der Isolation eines unbewohnten Planeten.
Aber das Leben, so proklamierte die Wache, sei heilig, und wenn schon jemand das seine lassen müsse, dann solle es das Leben der Minderwertigsten sein. Dieses Ziel wurde erreicht, indem man die ganze Auseinandersetzung ritualisierte und Auslesekommissionen beider Seiten erlaubte, die schlechtesten Soldaten des jeweiligen Gegners auszusuchen. Dies bedeutete, daß die guten Soldaten niemals Gelegenheit zum Kämpfen erhielten, ihre Ausbildung darum Zeitverschwendung war, und daß die Individuen, die tatsächlich für kriegstauglich befunden wurden, der Abschaum vom Abschaum waren.
Die Gründe, daß ein Mann heutzutage in die Armee ging, dachte Dermod bitter, reichten von hysterischem oder schwachsinnigem Patriotismus über bequemes Versorgungsdenken bis zu dem primitiven Verlangen nach einer Uniform, von der größere Erfolgschancen bei amourösen Abenteuern erhofft wurden. Wenn ein Soldat nicht eine moralische Laus war, dann war er ein psychologisches Wrack.
Aber der Leutnant war nun einmal, der er war, und er gehörte schließlich zu den Offizieren, auf die Dermod sich in den kommenden Wochen verlassen mußte. Hier war psychologische Erste Hilfe angezeigt, und das schnell. Dermod ignorierte den drohenden Tränenfluß und begann ruhig, zuversichtlich und scheinbar beiläufig über die zu erwartenden Feindseligkeiten zu sprechen. Und allmählich verschwand der Ausdruck gequälten Selbstmitleids aus dem Gesicht des anderen; er warf eigene Bemerkungen ein und zeigte immer mehr Interesse. Zuviel Interesse, vielleicht, denn er wurde plötzlich mißtrauisch.
Nachdem er Dermod mit einer ruckartigen Handbewegung unterbrochen hatte, sagte er: »Sie sagen dauernd, daß dieser Krieg anders sein werde, daß der ganze Feldzug nicht einfach auseinanderfallen und wie gewöhnlich in einem kläglichen Durcheinander enden werde – einem lächerlichen Schauspiel zum Amüsement der Wacheinheiten! Sie wiederholen das ständig. Aber woher wissen Sie es? Und wer sind Sie …«? Der Leutnant brach ab, seine Augen verloren ihre alkoholisierte Stumpfheit und wurden hell und durchdringend. Er sagte: »Ich habe Sie irgendwo gesehen, erst kürzlieh. Ja! Sie … Sie sind der Major, der in Ohnmacht fiel, als die Raupenoffiziere kamen …!«
Dermod fühlte, wie sein Körper sich unwillkürlich spannte. Dies war sehr schlecht. Dem Leutnant mochte es an vielen Qualitäten mangeln, aber seine Intelligenz und seine Beobachtungsgabe waren gewiß nicht fehlerhaft. Und seine Stimme war mit den letzten Sätzen ständig lauter geworden, und dies – die Geschichte vom in Ohnmacht gefallenen Major, der als Zivilist verkleidet in Kneipen ging, um die Soldaten mit aufmunternden Reden moralisch aufzumöbeln war genau die Art von Klatsch, die sich herumsprechen würde …
Nicht die leiseste Andeutung des Plans durfte bekanntwerden, bevor der Krieg tatsächlich begonnen hatte. Alles hing davon ab. Irgendwie mußte der Leutnant zum Schweigen gebracht werden.
»Sie«, sagte der Leutnant höhnisch, »ausgerechnet Sie müssen mir Vorträge über …«
»Ruhe!«
Dermod sprach leise, aber der harte Klang von Autorität war plötzlich in seiner Stimme. »Hören Sie mich an, und wenn Sie antworten, schreien Sie nicht so!«
Es war ein verzweifeltes Risiko, aber er konnte nichts anderes tun. Er mußte ein wenig ausplaudern – gerade genug, um den Leutnant auf seine Seite zu bringen. Er sagte kurz: »Ich wurde ohnmächtig – oder besser, ich schien ohnmächtig zu werden –, weil ich damit eine bestimmte Absicht verband. Bedenken Sie bitte die Implikationen hinter dieser Feststellung, sofern Sie nicht zu betrunken sind. Wenn Sie es getan haben, dann werden Sie begreifen, warum dieses Gespräch geheimgehalten werden muß. Denn sollte die Wache auch nur ahnen, was ich getan habe …«
Absichtlich ließ er den Satz unvollendet.
Aber der Leutnant war nicht zu betrunken. Seine Überraschung über Dermods plötzlich veränderten Ton
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