Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
in puncto Mäßigung beim Wort nehmen, und ich werde auf Ihre Unterstützung zählen. So, und jetzt erzählen Sie mir den Klatsch. Wie läuft die Ehe?«
Lucile studierte den Teppich. Es war ein guter Teppich, und alles in allem war sie froh, das Geld dafür ausgegeben zu haben. Das Muster war ihr im Moment zwar herzlich egal, aber sie wusste nicht, wie weit sie ihre Züge in der Gewalt hatte.
»Caro«, sagte sie, »mir ist nicht ganz klar, warum Sie mir das alles erzählen.«
Caroline Rémy legte ihre Füße auf die blaue Chaiselongue. Sie war eine hübsche junge Frau, eine Schauspielerin aus dem Ensemble des Théâtre Montansier. Sie hatte zwei Geschäftsbeziehungen, die eine mit Fabre d’Églantine, die andere mit Hérault de Séchelles.
»Zu Ihrem eigenen Schutz«, sagte sie. »Damit Sie es nicht von weniger wohlgesinnten Menschen erfahren, die nur danach gieren, Sie in Verlegenheit zu bringen und sich über Ihre Naivität zu mokieren.« Caroline legte den Kopf schief und drehte sich eine Locke um den Finger. »Lassen Sie mich sehen – wie alt sind Sie jetzt, Lucile?«
»Zwanzig.«
»Ach Gott«, sagte Caroline. »Zwanzig!« Sie konnte selbst nicht viel älter sein, dachte Lucile. Aber sie hatte, nicht überraschend vielleicht, etwas ganz leicht Verlebtes. »Ich fürchte, meine Liebe, Sie wissen sehr wenig von der Welt.«
»Ja. Das bekomme ich seit kurzem von allen Seiten zu hören, also wird es wohl stimmen.« (Ein Reizthema. Camille letzte Woche bei einem seiner Erziehungsversuche: »Lolotte, die Dinge werden nicht wahrer dadurch, dass man sie hundertmal sagt.« Aber wie sollte man nicht patzig werden, angesichts solch einmütiger Verurteilung?)
»Es wundert mich, dass Ihre Mutter Sie nicht gewarnt hat«, sagte Caro. »Sie weiß doch sicherlich alles, was es über Camille zu wissen gibt. Aber wenn ich den Mut gehabt hätte – und glauben Sie mir, jetzt mache ich mir bittere Vorwürfe –, vor Weihnachten zu Ihnen zu kommen und Ihnen beispielsweise das mit Maître Perrin zu erzählen, wie hätten Sie reagiert?«
Lucile sah auf. »Caro, ich wäre fasziniert gewesen.«
Das war nicht die Antwort, die Caro erwartet hatte. »Sie sind ein seltsames Mädchen«, sagte sie. Und ihr Gesichtsausdruck besagte unmissverständlich: Seltsamkeit zahlt sich nicht aus. »Ich meine, Sie müssen doch gewappnet sein für das, was auf Sie zukommt.«
»Ich versuche es mir vorzustellen«, sagte Lucile. Warum konnte nicht endlich die Tür auffliegen und einer von Camilles Gehilfen ins Zimmer gestürzt kommen, um sie mit Fragen zu bombardieren und alles nach einem verlegten Blatt Papier zu durchwühlen? Aber das Haus war ausnahmsweise ruhig – ruhig bis auf Caros geschulte Stimme mit dem Beben der Tragödin darin, diesem Anflug von Rauchigkeit.
»Mit Untreue kann man umgehen«, sagte die Stimme. »In den Kreisen, in denen wir verkehren, hat man Verständnis für solche Dinge.« Die eleganten Finger spreizten sich leicht, um die löbliche Korrektheit, ästhetisch wie auch gesellschaftlich, eines diskreten kleinen Ehebruchs anzudeuten. »Da findet sich ein Modus vivendi. Ich habe keine Sorge, dass Sie sich nicht auch ein wenig zu amüsieren verstehen. Andere Frauen verkraftet man, solange man sie nicht unmittelbar vor der Nase hat.«
»Ach. Und wie soll ich das verstehen?«
Caro machte runde Augen. »Camille ist ein attraktiver Mann«, sagte sie. »Ich weiß, wovon ich spreche.«
»Ich wüsste nicht, was das zur Sache tut«, murmelte Lucile, »ob Sie etwas mit ihm hatten oder nicht. Das sind Details, auf die ich verzichten kann.«
»Bitte betrachten Sie mich als eine Freundin«, drängte Caro. Sie biss sich auf die Lippe. Immerhin wusste sie jetzt, dass Lucile kein Kind erwartete. Was immer der Grund für die eilige Trauung gewesen war, Schwangerschaft war es nicht. Es musste etwas noch Interessanteres sein – nur, wie brachte sie es heraus? Sie zupfte sich die Locken in Form und glitt von der Chaiselongue. »Ich muss weiter. Die Probe ruft.«
Wozu musst du proben, fragte Lucile unterdrückt. Du spielst doch perfekt.
Als Caro fort war, lehnte Lucile sich im Sessel zurück und zwang sich, ruhig und tief durchzuatmen. Jeanette, die Haushälterin, kam herein und fasste sie scharf ins Auge. »Vielleicht ein kleines Omelette?«, schlug sie vor.
»Lass mich in Ruhe«, sagte Lucile. »Ich weiß nicht, wie du darauf kommst, dass Essen irgendeine Lösung ist.«
»Ich könnte laufen und Ihre Mutter holen.«
»Und ich bin der
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