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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Haus. Aber ganz in der Nähe. Kommt jetzt«, sagte er zu den Kindern. »Hier wohnt eure Großmutter. Erinnert ihr euch?«
    Dumme Frage. Aus irgendeinem Grund denkt Georges immer, seine Kinder seien älter, als sie sind, denkt, sie könnten sich weit zurückerinnern. François-Georges war ein Jahr alt, als seine Mutter starb; jetzt sitzt er groß und schwer auf dem Arm seiner Stiefmutter und trommelt mit den Fersen auf ihre zarten Rippen ein. Antoine, erschlafft von den Aufregungen der Reise, hängt um den Hals seines Vaters wie ein Kind, das man vom Grund des Meeres gerettet hat.
    Anne-Madeleines Mann leuchtete mit einer Fackel. Und da kam schon die vorderste der Schwestern – es war Louises erste Begegnung mit diesen furchterregenden Wesen –, rennend, über die eigenen Füße stolpernd wie ein Schulmädchen. »Georges, Georges, mein Bruder Georges!« Sie warf sich an seinen Hals. Seine Arme schlossen sich um sie. Sie strich sich das Haar aus den Augen, küsste ihn auf beide Wangen, machte sich dann los, fing den nächststehenden ihrer kleinen Buben ein und hielt ihn dem Bruder zur Begutachtung hin. Das war Anne-Madeleine, die ihn unter den Hufen des Bullen hervorgezogen hatte.
    Und hier kam Marie-Cécile; ihr Orden war aufgelöst worden, sie war wieder daheim, wo sie hingehörte – hatte er nicht gesagt, er würde für sie sorgen? Man sah ihr die Nonne noch an; sie versuchte ihre Hände in den Ärmeln des Habits zu verstecken, das sie nicht mehr trug. Und da war Pierrette, groß, lächelnd, pausbäckig, eine alte Jungfer, die matronenhafter wirkte als die meisten Pariser Mütter; an ihrer Schulter sabberte Anne-Madeleines Jüngstes. Sie umringten Louise und drückten sie – spürten beim Drücken, schemenhaft, das Versprechen von Gabrielles üppigem Fleisch. »Du kleines Täubchen!«, sagten sie lachend. »Du bist so jung!«
    Sie verzogen sich in die Küche, die Schwestern. »Trübseliges Dingelchen! So pflichtbewusst! Und flach wie ein Brett!«
    »Hättest du nicht auch gedacht, er bringt diese Lucile mit? Dieses schwarzäugige Luder? Ich dachte, er spannt sie ihrem schwarzäugigen Mann aus.«
    »Nein, dieses grundschlechte Paar, die sind füreinander bestimmt.« Die Schwestern wollten sich ausschütten vor Lachen. Der Besuch der Desmoulins war ein Höhepunkt in ihrem Dasein gewesen; sie hätten viel darum gegeben, so etwas noch einmal erleben zu dürfen, wieder diesen Großstadtschauder zu fühlen, den die zwei ihnen eingejagt hatten.
    Sie mimten Georges-Jacques und ihre Mutter: »Was für ein Trost«, krächzte Marie-Cécile, »dass ich dich noch sehen darf, ehe ich sterbe.«
    »Sterben?«, brummte Anne-Madeleine. »Du alte Lügnerin, du stirbst nicht. Du wirst mich überleben, beim Satan!«
    »O ja, fluchen kann Georges-Jacques!«, sagte Pierrette. »Wie ein Fuhrknecht. Meint ihr, er ist in schlechte Gesellschaft geraten?«
    Im Wohnzimmer des Herrenhauses funkelten Mme Recordains blaue Augen im Dämmer. »Komm aus der kalten Nachtluft heraus, Tochter. Setz dich neben mich.« Prüfende Finger zwickten in ihre Taille. Zwei Monate schon! Und noch nicht schwanger! Die Italienerin, die gestorben war, die hatte ihre Pflicht an Georges-Jacques erfüllt – aber diese magere kleine Städterin hier …
    Wie um weitere Examinierungen zu unterbinden, strömten die Schwestern aus den Tiefen des Hauses herbei. Sie umdrängten ihren Bruder, zählten all die guten Dinge auf, die sie ihm kochen könnten, tätschelten ihm den Kopf, wärmten alte Familienwitze auf – füllige Frauen vom Lande in ihren merkwürdigen, uneleganten, praktischen Kleidern.
    »Vielleicht solltest besser du derjenige sein, der es aufdeckt.« Fabre hatte Lucile nicht gehört, aber der Gedanke kam auch ihm. An dem Tag, an dem Danton aus Paris abfuhr, saß er allein in seiner Wohnung und hätte am liebsten geschrien und getobt und auf die Wände eingedroschen wie ein unartiges Kind, das von den Erwachsenen enttäuscht worden ist. Er griff wieder nach dem liebenswürdig-unverbindlichen Briefchen, das Danton ihm vor seiner Abreise geschickt hatte; er riss es in schmale Streifen und verbrannte sie einen nach dem anderen.
    Nach einer anstrengenden und kontroversen Sitzung des Jakobinerclubs fing er Robespierre und Saint-Just ab, als sie zusammen aus dem Saal kamen. Saint-Just wohnte den Abendsitzungen nur sporadisch bei; er fand sie sinnlos, auch wenn er das nicht laut sagte, und still für sich nannte er die Clubmitglieder Meinungskrämer. Fremde

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