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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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selbst speiste. Er las ohne Leidenschaft, mit monotoner Stimme, den Blick auf seine Unterlagen geheftet, die er in der Linken hielt. Gelegentlich hob er den rechten Arm und ließ ihn wieder fallen – es war seine einzige Geste, immergleich, mechanisch. Gegen Ende hob er ein einziges Mal das Gesicht zu seinem Publikum und sprach es direkt an: »Hiernach«, versprach er, »wird es nur noch Patrioten geben.«
     
    RUE MARAT: »Na, mein Schätzchen«, sagte Lucile zu ihrem Kind, »begleitest du mich zu deinem Patenonkel? Nein, besser nicht. Bring ihn zu meiner Mutter«, bat sie Jeanette.
    »Sie sollten sich das Gesicht waschen, bevor Sie gehen«, sagte Jeanette. »Es ist ganz verquollen.«
    »Er kann sich doch denken, dass ich geweint habe. Das war zu erwarten. Aber er wird ohnehin nicht wahrnehmen, wie ich aussehe. Das tut er nie.«
    »Hier sieht es ja noch schlimmer aus als bei uns«, sagte Louise Danton, »falls das überhaupt möglich ist.«
    Sie standen in Luciles verwüstetem Salon. All ihre Bücher lagen mit gebrochenem Rücken auf dem Teppich, Schubladen und Schränke waren durchwühlt worden und standen offen. Selbst in der Asche im Kamin hatte man herumgestochert. Lucile rückte den schief hängenden Kupferstich von Maria Stuarts Ende wieder zurecht. »Sie haben all seine Papiere mitgenommen«, sagte sie. »Die Briefe. Alles. Sogar das Manuskript über die Kirchenväter.«
    »Was sollen wir zu Robespierre sagen, wenn er uns vorlässt? Was sollen wir ihm bloß sagen?«
    »Du musst gar nichts sagen. Das mache ich schon.«
    »Wer hätte das für möglich gehalten, dass der Konvent sie einfach so ausliefert, völlig widerstandslos?«
    »Ich. Gegen Robespierre kann sich keiner behaupten – außer deinem Mann. Ich habe hier Briefe«, sagte sie zu Jeannette, »an sämtliche Mitglieder des Wohlfahrtsausschusses. Bis auf Saint-Just, ihm zu schreiben wäre sinnlos. Das hier sind die Briefe an den Polizeiausschuss, dieser geht an Fouquier und diese hier an diverse Abgeordnete, die Adressen stehen darauf. Bring die Briefe sofort auf den Weg. Wenn keiner von ihnen antwortet und Max mich nicht vorlässt, muss ich mir eine neue Strategie überlegen.«
     
    Im Luxembourg übernahm Hérault die Rolle des huldvollen Gastgebers. Schließlich befanden sie sich in einem ehemaligen Palast, der nicht als Gefängnis konzipiert war. »Sie werden feststellen, dass von strenger Einzelhaft keine Rede sein kann«, sagte Hérault. »Ab und zu schließt man uns tatsächlich ein, aber im Allgemeinen führen wir erfreulicherweise ein sehr geselliges Leben – etwas Vergleichbares habe ich seit Versailles nicht mehr erlebt. Die Gespräche sind geistreich, die Umgangsformen lassen nichts zu wünschen übrig – die Damen werden frisiert und kleiden sich dreimal am Tag um. Es gibt festliche Diners. Man kann sich kommen lassen, was immer man will – alles außer Schusswaffen. Nur muss man aufpassen, was man sagt, denn mindestens die Hälfte der Leute hier sind Spitzel.«
    In dem von Hérault als »Salon« bezeichneten Raum begutachteten die Insassen die Neuankömmlinge. Ein ci-devant musterte den stämmigen Lacroix: »Der würde einen guten Kutscher abgeben«, bemerkte er.
    Genral Dillon hatte getrunken. Er zeigte sich zerknirscht. »Wer sind Sie?«, fragte er Philippeaux. »Wir kennen uns nicht, oder? Was haben Sie getan?«
    »Ich habe den Ausschuss kritisiert.«
    »Aha.«
    »Ach so«, Philippeaux ging ein Licht auf. »Sie sind Luciles – herrje, verzeihen Sie mir, General.«
    »Schon gut. Es ist mir gleich, was Sie denken.« Er torkelte durch den Raum und legte den Arm um Camille. »Jetzt wo ihr alle hier seid, werde ich nüchtern bleiben, das schwöre ich. Ich habe dich ja gewarnt. Habe ich dich nicht gewarnt? Mein armer Camille.«
    »Wissen Sie was?«, sagte Hérault. »Dieser diebische Kunstausschuss hat all meine Erstausgaben eingesackt.«
    »Er behauptet«, sagte der General und deutete auf Hérault, »es sei unter seiner Würde, sich gegen die Beschuldigungen, die man gegen ihn vorbringen wird, zu verteidigen. Was ist denn das für eine Einstellung? Er hält sie für angemessen, weil er ein Aristokrat ist. Aber das bin ich auch. Und außerdem, mein Lieber, bin ich Soldat. Keine Sorge, keine Sorge«, sagte er zu Camille. »Wir kommen hier raus.«
     
    RUE HONORÉ : »Es sind gerade zahlreiche Patrioten bei ihm«, sagte Babette, »Sie werden verstehen, dass er da nicht gestört werden darf.«
    Lucile legte einen Brief auf den Tisch. »Im

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