Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety
sich, bebend und ganz benommen vor Elend, die sandfarbenen Wimpern feucht. »Verlegen Sie Dantons Bande in die Conciergerie«, sagte Fouquier über die Schulter. Dann drehte er sich um: »Sie werden über ihn hinwegkommen, glauben Sie mir.«
Er fasste die Kerze von Arras am Arm und bugsierte sie in die Nacht hinaus.
JUSTIZPALAST , 13. Germinal, acht Uhr morgens: »Kommen wir gleich zur Sache, meine Herren«, sagte Fouquier zu den beiden stellvertretenden Anklägern. »Auf der Anklagebank sitzt heute eine bunt zusammengewürfelte Schar von Täuschern, Schwindlern und Betrügern sowie einem halben Dutzend bedeutender Politiker. Wenn Sie aus dem Fenster blicken, werden Sie die Schaulustigen sehen, das heißt, Sie müssen nicht einmal hinausblicken, man hört sie ja. Wenn wir mit diesen Leuten falsch umgehen, können sie die ganze Sache ins Wanken bringen und die Sicherheit der Hauptstadt gefährden.«
»Es ist ein Jammer, dass man ihnen den Zugang nicht verwehren kann«, sagte Bürger Fleuriot.
»In der Republik sind Gerichtsverhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit nicht vorgesehen«, sagte Fouquier. »Sie wissen genau, wie wichtig es ist, die Öffentlichkeit teilhaben zu lassen. Aber es darf nichts in die Presse gelangen. Und was unsere Sache angeht: Sie existiert nicht. Der Bericht, den uns Saint-Just gegeben hat, ist – nun, ein politisches Dokument.«
»Sie meinen, ein Haufen Lügen«, bemerkte Liendon.
»Ja, im Prinzip schon. Ich persönlich habe keinen Zweifel, dass Danton sich genug hat zuschulden kommen lassen, um gleich mehrfach hingerichtet zu werden, aber das heißt nicht, dass er der Vergehen schuldig ist, die wir ihm anlasten werden. Wir hatten keine Zeit, eine stichhaltige Anklage gegen diese Männer vorzubereiten. Es gibt keine Zeugen, die wir vorladen könnten, ohne befürchten zu müssen, dass sie irgendwelche unbedachten Äußerungen tun, die dem Ausschuss sehr ungelegen kämen.«
»Ich finde Ihre Einstellung defätistisch«, bemerkte Fleuriot.
»Mein lieber Fleuriot, wir wissen alle, dass Sie hier sind, um für Bürger Robespierre zu spionieren. Aber unsere Aufgabe ist es, unschöne juristische Winkelzüge aufzubieten, nicht Sprüche oder Phrasen abzusondern. So, und nun wenden Sie Ihre Gedanken bitte unseren Gegnern zu.«
»Ich nehme an«, sagte Liendon, »dass Sie damit nicht jene Unglücklichen meinen, die zu Verteidigern bestimmt wurden?«
»Ich bezweifle, dass sie es wagen werden, mit ihren Klienten zu sprechen. Danton kennen die Leute natürlich, er ist der mächtigste Redner der Stadt und außerdem ein weit besserer Anwalt als Sie beide. Um Fabre müssen wir uns keine Gedanken machen. Über seinen Fall ist ausführlich berichtet worden, und zwar durchweg negativ, und da er sehr krank ist, wird er uns keinen Ärger machen. Hérault ist eine ganz andere Kategorie. Wenn er sich dazu herablässt zu argumentieren, könnte es gefährlich werden, denn gegen ihn liegt praktisch nichts vor.«
»Sie haben doch dieses Dokument bezüglich der Capets?«
»Ja, aber ich habe einige Änderungen daran vornehmen lassen, deshalb bin ich nicht sehr erpicht darauf, es einzusetzen. Wen wir auch nicht unterschätzen sollten, das ist der Abgeordnete Philippeaux. Er ist weniger bekannt als die anderen, aber ich fürchte, er ist absolut kompromisslos, und er scheint vor nichts, was wir ihm antun könnten, die geringste Angst zu haben. Der Abgeordnete Lacroix ist mit allen Wassern gewaschen, eine Spielernatur. Unser Informant berichtet, dass er das Ganze als Witz betrachtet.«
»Wer ist unser Informant?«
»Im Gefängnis? Ein gewisser Laflotte.«
»Angst habe ich vor Ihrem Vetter Camille«, sagte Fleuriot.
»Auch hier hat unser Informant einige nützliche Beobachtungen gemacht. Er beschreibt ihn als hysterisch und verstört. Offenbar behauptet Camille, Bürger Robespierre habe ihn heimlich im Luxembourg besucht und ihm angeboten, ihn zu verschonen, wenn er für die Anklage aussagt. Das ist natürlich absurd.«
»Er muss den Verstand verloren haben«, sagte Liendon.
»Vielleicht hat er das. Wir müssen in der Verhandlung von Anfang an darauf abzielen, ihn zu zermürben, einzuschüchtern und zu terrorisieren. Das wird nicht sonderlich schwierig sein, aber wir müssen um jeden Preis verhindern, dass er Gelegenheit zu einer Verteidigungsrede bekommt, denn die Leute, die sich an ’89 erinnern, haben eine gewisse emotionale Bindung an ihn. Aber jetzt sagen Sie mal, Fleuriot – was ist Ihrer
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