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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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einem Salon braucht. Sie haben mich und François Robert und seine Frau – Louise Robert sagt übrigens, sie hätte nicht übel Lust, einen Roman über Annette Duplessis und das Debakel in der Rue Condé zu schreiben, nur fürchtet sie, die Leser würden ihr Camille als Romanfigur niemals abnehmen.«
    Die Roberts waren jungverheiratet, fürchterlich verliebt ineinander und fürchterlich arm. Er war achtundzwanzig, ein Rechtsgelehrter, stämmig, umgänglich und für alles aufgeschlossen. Louise war eine geborene Mlle de Kéralio, aufgewachsen in Artois und Tochter eines königlichen Zensors; ihr Vater hatte die Heirat verboten, und sie hatte sich über das Verbot hinweggesetzt. Das väterliche Missfallen bedeutete für das Paar nicht nur Mittellosigkeit, sondern auch das Ende von François’ Juristenkarriere, und so hatten sie einen Laden in der Rue Condé gemietet und dort eine Kolonialwarenhandlung aufgemacht. Sodass Louise Robert nun hinter ihrer Kasse saß und mit ihrem Rocksaum spielte, den Blick in ihren Rousseau gesenkt und die Ohren gespitzt, falls ein Kunde sie ansprach oder jemand von steigenden Molassepreisen munkelte. Abends kochte sie ihrem Mann ein Essen und überprüfte penibel die Kasse, ihre aristokratischen Schultern durchgedrückt, während sie ihre Bons addierte. Wenn sie fertig war, setzte sie sich zu François und plauderte mit ihm über den Jansenismus, die Justizverwaltung und den Aufbau des modernen Romans; danach lag sie wach im Dunkeln, ihre Nase kalt über der Decke, und betete um Unfruchtbarkeit.
    Georges-Jacques sagte: »Ich fühle mich hier zu Hause.« Er gewöhnte es sich an, abends durchs Viertel zu spazieren, vor den Frauen den Hut zu ziehen und einen Schwatz mit ihren Männern zu halten, und jedes Mal wusste er beim Heimkommen etwas Neues zu berichten. Legendre, der Metzgermeister, war ein feiner Kerl und verdiente gut mit seinem Handwerk. Der wüst aussehende Mann von gegenüber war in Wirklichkeit ein Marquis: der Marquis de Saint-Huruge, der mit dem Regime ein Hühnchen zu rupfen hat – Fabre kennt die ganze schaurige Geschichte, einschließlich Mesalliance und Lettre de Cachet.
    Hier würden sie es ruhiger haben, hatte Georges-Jacques gesagt, aber die Wohnung war ständig voll mit Leuten, die sie kaum kannten; sie aßen nie allein zu Abend. Die Kanzlei war jetzt ebenfalls im Haus untergebracht, in einer kleinen Studierstube und dem Raum, der eigentlich als Esszimmer gedacht war. Tagsüber kamen immer wieder die Kanzlisten, Paré und Deforgues, herüber, um mit ihr zu plaudern. Und junge Männer, die sie noch nie gesehen hatte, schneiten herein und wollten von ihr wissen, wo Camille jetzt wohnte. Einmal verlor sie die Geduld und sagte: »Hier jedenfalls nicht.«
    Ihre Mutter besuchte sie ein-, zweimal die Woche, um mit dem Kleinen zu schäkern, an den Dienstboten herumzukritteln und zu sagen: »Du kennst mich, Gabrielle, ich würde dir nie dreinreden.« Das Einkaufen besorgte sie selber, weil sie das Gemüse lieber persönlich aussuchte und es mit dem Wechselgeld genau nahm. Die kleine Louise Gély begleitete sie und tat so, als würde sie ihr mit ihren schweren Körben helfen, und Mme Gély kam mit, um Kommentare über die jeweiligen Ladenbesitzer abzugeben und sich über die Leute auszulassen, die ihnen auf der Straße begegneten. Sie mochte die kleine Louise: offen, aufgeweckt, zuweilen grüblerisch, mit der Frühreife des Einzelkindes.
    »Bei Ihnen ist es immer so laut«, sagte das kleine Mädchen. »So viele Damen und Herren, die kommen und gehen. Es ist doch in Ordnung, wenn ich auch manchmal herunterkomme, oder?«
    »Solange du brav bist und dich hübsch ruhig hältst. Und solange ich auch da bin.«
    »Oh, sonst würde ich niemals kommen. Ich fürchte mich vor Maître d’Anton. Er schaut so unheimlich.«
    »Er ist aber eigentlich sehr lieb.«
    Die Kleine machte ein zweifelndes Gesicht. Dann hellte ihr Ausdruck sich auf. »Ich für meinen Teil«, sagte sie, »habe ja vor zu heiraten, sobald jemand um mich anhält. Dann werde ich einen Haufen Kinder haben und jeden Abend Einladungen geben.«
    Gabrielle lachte. »Wozu die Eile? Du bist doch erst zehn.«
    Louise Gély sah sie von der Seite an. »Ich habe nicht vor zu warten, bis ich alt bin.«
    Am 13. Juli hagelte es – was noch nichts darüber aussagt, wie es hagelte: als wäre Gottes Verachtung zu Eis gefroren. Auf den Straßen kam es zu unerklärlichen und gewaltsamen Zwischenfällen aller Art. Die Obstgärten boten

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