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Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety

Titel: Brüder - Mantel, H: Brüder - A Place of Greater Safety Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hilary Mantel
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Angstvoll lief sie auf den Flur. Camille war bleich vor Wut, seine Augen zwei schwarze Tintenkleckse in seinem Gesicht. Sie stellte sich ihm in den Weg. »Nur dass ihr es wisst«, informierte sie alle, die es anging, »ich will ein anderes Leben als das, das ihr euch für mich ausgedacht habt. Camille, ich habe Todesangst vor der Normalität. Ich habe Todesangst davor, mich zu langweilen.«
    Seine Fingerspitzen streiften ihren Handrücken. Sie waren eisig. Dann drehte er sich auf dem Absatz um. Eine Tür krachte ins Schloss. Ihr blieb nichts von ihm als die kleinen Eistupfer auf ihrer Haut. Nebenan hörte sie ihre Mutter weinen, lautstarke, würgende Schluchzer. »Noch nie«, sagte ihr Vater, »in zwanzig Jahren nicht, ist in diesem Haus ein unschickliches Wort gefallen, nie haben meine Töchter Szenen wie diese erlebt, nie im Zorn erhobene Stimmen gehört.«
    Adèle kam aus ihrem Zimmer. »Dann willkommen in der Wirklichkeit«, sagte sie.
    Claude rang die Hände. Sie hatten noch nie jemanden die Hände ringen sehen.
    Der Sohn der d’Antons war ein kräftiges Kind mit bräunlicher Haut, einem dichten dunklen Haarschopf und den Augen seines Vaters, ein erstaunlich helles Blau. Die Charpentiers beugten sich über sein Bettchen, suchten nach Ähnlichkeiten und prophezeiten, wem er nachschlagen würde. Gabrielle war zufrieden mit sich. Sie wollte den Kleinen selbst stillen, anstatt ihn zu einer Amme zu geben. »Vor zehn Jahren«, sagte ihre Mutter, »wäre das undenkbar gewesen bei einer Frau in deiner Stellung. Einer Anwaltsgattin.« Sie schüttelte den Kopf; sie konnte die modernen Sitten nicht gutheißen. Vielleicht ändern sich manche Dinge ja auch zum Besseren?, meinte Gabrielle. Aber außer dieser einen Sache fiel ihr nichts ein.
    Wir schreiben jetzt Mai 1788. Der König hat die Abschaffung der Parlamente verkündet. Einige ihrer Mitglieder stehen unter Arrest. Die Staatseinnahmen betragen 503 Millionen, die Ausgaben 629 Millionen. Draußen auf der Straße, gleich unter Gabrielles Fenster, wird ein kleines Kind von einem Schwein gejagt und niedergetrampelt. Ihr wird flau bei dem Anblick. Seit sie selbst Mutter ist, würde sie das Leben lieber nicht als Existenzkampf betrachten müssen.
    Also zogen sie am Quartalstag um, in eine Wohnung im ersten Stock, Ecke Rue des Cordeliers/Cour de Commerce. Gabrielles erster Gedanke war: Das können wir uns nicht leisten. Sie brauchten neue Möbel, um die Wohnung zu füllen – das Heim eines arrivierten Mannes. »Einen kostspieligen Geschmack hat Georges-Jacques«, bemerkte ihre Mutter.
    »Ja, die Kanzlei läuft wohl recht gut.«
    » So gut? Mein Herz, ich habe dich immer zum Gehorsam erzogen, aber nicht zur Schwachsinnigkeit.«
    Gabrielle fragte ihren Mann: »Sind wir verschuldet?«
    Er sagte: »Lass das meine Sorge sein, ja?«
    Als d’Anton am nächsten Tag nach Hause zurückkam, ließ er an der Tür einer Frau den Vortritt, die ein neun- oder zehnjähriges Mädchen an der Hand führte. Man machte sich miteinander bekannt. Sie hieß Mme Gély, ihr Mann Antoine war Justizbeamter am Châtelet – vielleicht kannte M. d’Anton ihn ja? Ja, M. d’Anton kannte ihn. Und das Kind, Ihr erstes? Das ist Louise – ja, ich habe nur das eine – nein, Louise, keinen Flunsch ziehen, oder willst du, dass dein Gesicht so bleibt? »Bitte sagen Sie Mme d’Anton doch, wenn sie irgendwelche Hilfe braucht, soll sie unbedingt Bescheid sagen. Und nächste Woche, wenn Sie sich etwas mehr eingelebt haben, kommen Sie zu uns zum Abendessen.«
    Die kleine Louise blieb ein Stückchen hinter ihr zurück, als sie die Treppe hinaufstieg, und sah skeptisch über die Schulter.
    Er fand Gabrielle über eine Umzugskiste gebeugt, in den Händen einen zerbrochenen Teller, dessen Scherben sie aneinanderhielt. »Mehr ist uns nicht entzweigegangen«, sagte sie. Sie sprang auf und küsste ihn. »Unsere neue Köchin kocht schon. Und ein Hausmädchen habe ich heute Morgen auch eingestellt, Catherine Motin heißt sie, sie ist jung und ganz billig.«
    »Und ich habe gerade die Nachbarin aus dem zweiten Stock kennengelernt. Sehr beflissen, sehr vornehmtuerisch. Mit einem kleinen Mädchen, vielleicht so hoch. Hat mich äußerst misstrauisch beäugt.«
    Gabrielle verschränkte die Hände hinter seinem Nacken. »Du bist ja auch abenteuerlich anzusehen! Und, ist der Fall abgeschlossen?«
    »Ja. Und ich habe gewonnen.«
    »Du gewinnst immer.«
    »Das nun auch wieder nicht.«
    »Aber ich kann so tun, als ob.«
    »Wenn du

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