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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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einer Gerätekiste. Ohne Zweifel hatte er beträchtliche Schmerzen, denn er bewegte sich ständig, und welche Stellung auch immer er einnahm, in keiner fand er Ruhe. Zuweilen stieß er heftige Flüche aus, aber wohl nicht wegen der Schmerzen an sich, sondern wegen der unmännlichen, ja geradezu infantilen Zappeligkeit, zu der sie ihn zwangen.
    Britta sagte jetzt Devantier, was sie schon die ganze Zeit hatte sagen wollen: »Ich kann das nicht. Ich übe doch noch. Ich bin doch noch eine blutige Anfängerin.« Dabei fuhr sie immer wieder mit den Fingern durch ihre langen Haare, fast riß sie an denen.
    »Du bist viel weiter, als du denkst«, versuchte Devantier sie zu beruhigen, und immerhin, damit zauberte er ein zaghaftes Lächeln auf ihr Gesicht. Wirklich? schien sie zu fragen.
    Aber sofort verfinsterte sich ihre Miene wieder. »Und ich will auch nicht diejenige sein, die Marty ablöst. Ich verdanke ihm doch so viel – genaugenommen hätte ich ohne ihn gar nicht zu jonglieren angefangen. Mir wird richtig schlecht bei dem Gedanken.«
    »Muß dir nicht werden«, antwortete Devantier, »es ist ja meine Entscheidung, nicht deine.« Er zog das hellblaue Kleid aus einer Plastetüte zu seinen Füßen, die Britta erst jetzt bemerkte: »Na, hier, zieh das an.«
    Britta verweigerte die Annahme: »Sie denken wohl wirklich, Sie können über alles und jeden bestimmen? Ja das denken Sie! Aber nicht mit mir! Sie können mich nicht dazu zwingen!«
    Devantier wußte jedoch nach der nächtlichen Episode im Chapiteau ziemlich genau, wie er mit ihr umzugehen hatte, und so entgegnete er, gutmütig brummend: »Ich weiß, ich weiß. Ich zwinge dich ja auch nicht. Ich bitte dich nur, mein Kind.« Mit ruhigem Arm hielt er ihr das Kleid hin.
    Und tatsächlich, gegen Devantiers schon seit Minuten lammfrommes Gebaren kam Britta nicht länger an. Da der Direktor diesen Zug so selten, eigentlich gar nicht offenbarte, erreichte er damit nun eine um so durchschlagendere Wirkung. Ich wäre doch bloß störrisch und zickig, wenn ich mich jetzt noch sträuben würde, sagte sich Britta unter dem Eindruck der Devantierschen Sanftmut. Nein, ich will mich nicht weiter sträuben. Und irgend jemand muß ja heute schließlich jonglieren. Sie griff nach dem Kleid. Hierbei ließ sie zwar ein »aber auf Ihre Verantwortung« hören, doch klang das fast schon possierlich und konnte demzufolge von Devantier auch nicht mehr als ernsthafter Einwand betrachtet werden.
    Britta lief zum Wagen, um in das Kleid zu schlüpfen. Sobald sie außer Reichweite war, rief Leonelli, nicht ohne wieder einmal fluchend seine Lage zu verändern: »Verdammte Scheiße … Richard, bist du verrückt? Du kannst doch nicht im Ernst die Kleine bringen! O ja, Marty hat recht, Marty hat ganz recht! Ich hätte nie gedacht, daß sie dir so das Hirn vernebelt. Du machst dich doch zum Narren, merkst du das nicht? Richard, in jedem verdammten Bärenfurz steckt mehr Weisheit als in deiner Entscheidung, das sage ich dir!«
    Er war der einzige, der so mit Devantier reden durfte, und er tat es nicht zum ersten Mal. Und wie meistens in solchen Fällen antwortete Devantier ihm nicht auf jene typisch knorrige Art, die der Rest der Mannschaft von ihm kannte. Vielmehr ließ er sich zu einer langen und durchaus freundlichen Erklärung seiner Beweggründe herbei: »Du irrst, ich weiß genau, was ich tue. Habe ich es einmal nicht gewußt? Also bitte. Natürlich mag ich die Kleine, das gebe ich gern zu – wie könnte man sie auch nicht mögen. Aber ich bin durchaus Herr meiner Gefühle. In meinem Alter, und in meiner Lage, sollte man das sein. Du kennst meine Lage, Leo. Dies ist mein Zirkus, ganz allein meiner. Ich habe ihn hochgezogen und durch alle Wirren geführt, und ich habe heute bei jeder Entscheidung letztlich nur auf eines zu achten, darauf, daß er mir nicht kleingemacht wird und überhaupt fortbesteht und nicht untergeht; das, Leo, unterscheidet mich im übrigen von einem Bonzen wie dem Theuerkauf. Der Theuerkauf vom Staatszirkus wird subventioniert ohne Ende. Der kann gar nicht pleite gehen. Der und seine Leute, du weißt es genausogut wie ich, die haben die Fünf-Tage-Woche. Als Zirkus! Die könnten sogar die Drei-Tage-Woche haben! Weil sie genug Kohle …«
    »Bin ich ein verdammter Eierkuchen, daß ich nicht auf einer verdammten Seite liegen kann, oder was!«
    »… genug Kohle in den Arsch gesteckt bekommen. Und mit der Kohle bezahlen sie immer auch ein, zwei Leute, die das Niveau des

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