Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
Vom Netzwerk:
vor ihnen, und Devantier verstummte. Brittas Gesicht war rot vor Aufregung und Unsicherheit, aber wenn ihn nicht alles täuschte, entdeckte er darin auch Vorfreude und sogar Abenteuerlust.
    Tatsächlich hatte sich bei ihr während des Ankleidens mehr und mehr Optimismus breitgemacht. Dieser Zirkus, dachte sie bei sich, ist wahrlich ein Ort, an dem ein Geschehnis das nächste jagt. Bisher haben diese Ereignisse immer andere betroffen, aber warum soll nun nicht einmal ich an der Reihe sein? Immerhin bin ich jetzt schon über ein Jahr dabei. Gewiß, irgendwas mußte endlich auch mal mit mir passieren. Und jetzt passiert es eben. Aber – wenn ich versage? Ich bin doch eigentlich noch gar nicht soweit. Ach was, ich habe noch nie versagt. Außerdem ist es ja kein anderer als Devantier, der mich auftreten läßt, und man weiß doch, welche hohen Maßstäbe er anlegt. Ach, wahrscheinlich hat er recht, und ich bin längst weiter, als ich denke.
    Schon erteilte Devantier ihr den nächsten Auftrag: »Ab zum Warmmachen! Wirf dich ein! Du mußt schwitzen wie ein Affe, vorher hörst du nicht auf, versprichst du mir das?«
    Britta nickte und band ihre Haare zu einem Zopf, und Devantier gab ihr recht beiläufig noch mit auf den Weg, sie möge doch ihre Haare zur Aufführung wieder lösen, und als sie daraufhin erstaunt Luft holte und ihr hübsches Mündlein auftat, um etwas zu sagen, brummte er in dem ihr nun schon bekannten gutmütigen Tonfall: »Papperlapapp, Papperlapapp.«
    *
    Während ihre Schwester in der Manege zu den Jonglierbällen griff, kam bei den Brüdern die Vermutung auf, Britta habe ihnen ihren Auftritt bis jetzt verheimlicht, habe ihn schon lange arrangiert, habe extra darauf hingearbeitet, am Tag ihres Treffens erstmals öffentlich zu jonglieren und sie beide damit so euphorisch zu stimmen, daß sie gar nicht anders konnten, als sich wieder zu versöhnen. Es war eine Vorstellung, die Erik lächeln ließ. Matti hingegen spürte einen leisen Groll. Ob Karin oder Britta – immer heckten die Weiber irgendwelche Pläne aus, in denen man eine Rolle spielte, immer taten sie was mit einem, und egal, ob’s im Endeffekt was Schönes war oder was Scheußliches, nie durchschaute man sie.
    Allerdings waren das nur flüchtige Gedanken und Gefühle. Gleich machten sie wieder der blanken Aufregung Platz. Wie würde Britta sich schlagen?
    Sie begann mit drei Bällen, das war unwürdig, aber sie mußte erst einmal Sicherheit gewinnen, und bitte, schon waren es ja fünf Kugeln, die sie kreuzweise durch die Luft fliegen ließ, dabei an das denkend, was Marty ihr vor langer Zeit eingebleut hatte, man muß, wenn mehr Bälle ins Spiel kommen, gar nicht schneller werfen, nur höher, das ist das Geheimnis, mit zuviel Tempo kannst du dir nämlich selbst bald nicht mehr folgen, mehr Höhe aber schadet dir gar nichts – na, was heißt gar nichts, ein Ball klackte ihr jetzt schmerzhaft auf den Mittelfingernagel, prallte ab und versackte in den Sägespänen wie das frische Exkrement eines Tieres, und als wär’s wirklich Kot, rührte sie ihn bis auf weiteres nicht an, das hatte sie vorher so beschlossen, wenn mir ’ne Kugel runterfällt, dann negier ich die und mach mit Parallelwurf weiter, und so geschah’s, und die »Strombolis« setzten an genau den richtigen Stellen lautere Tuschs, als sie bei irgendwem sonst setzten, eindringlich, um nicht zu sagen martialisch hatte der Direktor es von ihnen gefordert, Augen offenhalten, Leute, was die Kleine grade anstellt, und bei der erstbesten Möglichkeit: Tusch, daß die Heide wackelt, oh, ich dreh euch eure Trommelstöcke in den Arsch, wenn ihr heute nicht aufpaßt, ihr Traumtänzer, und dieser, und dieser, und dieser Tusch war es, der das Publikum zum Beifall animierte, ein Brausen, das Britta emporhob aus den Niederungen des Achtgebens und Regelbefolgens, in denen sie bislang gesteckt hatte, hinauf in die Gefilde der schönen Selbstverständlichkeiten, sie arbeitete jetzt schon mit den Keulen, schuf mit ihnen einen strahlenden Bogen, hielt ihn locker und akkurat in der Luft, wechselte bald auch mit den Keulen in den schweren Parallelwurf, nur freiwillig diesmal, sie jubilierte bei sich, sie jauchzte tonlos, sie schüttelte lächelnd, als könne sie’s nicht glauben, den Kopf, aber nur leicht, nur leicht, damit ihr die Haare nicht ins Gesicht fielen, und jetzt wieder zurück zum Kreuzwurf, gelungen, und im Publikum, wo man spürte, daß hier jemand sich gerade selbst verblüffte und

Weitere Kostenlose Bücher