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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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beglückte, regte sich, ohne jedes Zutun der »Strombolis«, Applaus, Applaus im Grunde nur dafür, daß Britta alle teilhaben ließ an ihrem Glück, und nicht für die Jonglage als solche, die ja, gelinde gesagt, unspektakulär war, und so blieb bis zum Ende, aber was machte das schon, Britta bedankte sich mit glühendem Gesicht und einer tiefen Verbeugung, so tief beugte sie sich runter, daß die Spitzen ihrer Haare in die Sägespäne fielen.
    Erik brüllte etwas, das wie Indianergeheul klang, und Matti trampelte, während er klatschte, wie wild mit den Füßen. Beide schienen in diesem Moment ein Herz und eine Seele zu sein.
    Devantier aber sackte erst einmal in sich zusammen. Er sah erschreckend bleich aus. Seine Erschöpfung war für alle, die ihm in diesen Augenblicken hinterm Vorhang über den Weg liefen, unverkennbar.
    Und Britta selber? Tigerte, um Fassung ringend, hinter der Manege hin und her, nahm dabei freudig diesen und jenen Glückwunsch entgegen, kurze Worte und eilige Gesten nur, mehr Zeit blieb nicht, denn das Personal stürzte von einer Aufgabe zur nächsten, da störte sie im Grunde nur, schnell wurde Britta zum Hindernis für die Jungs, die sperrige bunte Holzteile für die folgende Nummer heranschleppten, sie sprang vor einem Trupp beiseite, kam aber dabei nur dem nächsten in die Quere, sie quittierte es mit einem halb entschuldigenden, halb belustigten Lachen, erntete nun Flüche und Verwünschungen, beantwortete sie mit demonstrativem Kopfeinziehen …
    Und so und nicht anders wäre es wohl bis zum Ende der Vorführung weitergegangen, wenn Devantier, schon wieder bei Kräften, nicht plötzlich gedonnert hätte: »Britta Werchow galoppiert jetzt sofort in ihren Wagen und wischt sich erstmal den Schaum von den Nüstern! Abmarsch!«
    Sie tänzelte weg, eine Fährte aus Frohsinn hinterlassend. In ihrer Kemenate ließ sie sich juchzend aufs Bett fallen. Minutenlang, und nahezu reglos, blieb sie liegen. Ihre Arme hatte sie ausgebreitet wie Christus auf dem Zuckerhut. Nur ihre Brust hob und senkte sich, zunächst noch so heftig wie zu Beginn ihres großen Auftritts, dann immer gleichmäßiger, immer ruhiger. Sie genoß, was jetzt gerade mit ihr passierte, sie genoß es sogar noch mehr als alles, was im Chapiteau geschehen war. Das Adrenalin, das ja vollkommen Besitz von ihr ergriffen und aus dem sie, wie’s schien, sogar bestanden hatte, es zog sich nun langsam und stetig zurück; Britta fühlte es buchstäblich aus ihrem Körper fließen, und zwar nicht an einer bestimmten Stelle wie den Fingerspitzen, dem Schoß, den Brüsten oder den Nasenlöchern, sondern aus dem Körper als Ganzes. Und während der sich entleerte, während all die Euphorie aus ihr rann, schien es Britta, als würde sie selber immer schwerer, und als grabe sie sich immer tiefer ins Bett – das unvergleichliche, unersetzliche Gewicht der stillen Zufriedenheit.
    Sie wünschte sich, dieser unerhörte Vorgang möge immer immer weitergehen.
    *
    Unmittelbar nach dem Schlußapplaus für die gesamte Truppe schlüpfte Britta in unvermindert vergnügter Stimmung aus dem Chapiteau. In den Händen hielt sie zwei Tüten mit ihren Bällen und Keulen. Sie hatte, als sie von Devantier zur Beruhigung fortgeschickt worden war, versäumt, die Geräte gleich in ihren Wagen mitzunehmen, und wollte das nun schnell nachholen, denn Devantier akzeptierte nicht, wenn jemand seine Sachen hinterm Vorhang liegenließ.
    Draußen war es herbstlich kalt. Aus der offenen Pferdestalltür waberten Dampfwolken. Britta wandte sich nach links, zur »schlechteren« Seite des Lagers, und lief aus den Lichtkegeln der Zeltbeleuchtung ins Dunkel hinein. Sie war noch keine zehn Meter weit gekommen, als eine Stimme in ihrem Rücken rief: »Warum denn so eilig, Prinzesschen?«
    Sie fuhr herum, konnte aber nicht gleich erkennen, wer das war. Jemand lief auf sie zu, seine Schritte schmatzten in dem nahezu knöcheltiefen Morast.
    »Marty? … Marty, mein Gott, du bist’s.«
    Er lachte leise, und Britta durchfuhr ein Schauder.
    »Marty, hör zu«, sagte sie, »es tut mir unendlich leid, was heute geschehen ist. Ich wollte das nicht. Um nichts in der Welt wollte ich das.«
    »Ach, wirklich nicht?«
    »Marty«, stöhnte Britta auf, »Marty, ich bin todunglücklich, wenn ich nur daran denke, wie es dir gehen muß. Wirklich, todunglücklich.« Obwohl etwas in ihr widerstrebte, stellte sie die beiden Tüten ab und trat auf Marty zu.
    »Sieh mal einer an – wenn Prinzesschen nur

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