Brüder und Schwestern
von beiden wußte etwas zu sagen.
»Wie geht’s?« fragte endlich Erik.
Matti dankte nickend und rang sich dann zu einem »und selber?« durch.
Erik berichtete, daß er im Ferienlager der Universität untergekommen sei. Er setzte auch an, mehr zu erzählen, aber Matti unterbrach ihn, indem er Erik eine Karte hinstreckte.
»Laß uns reingehn«, sagte er unwirsch, es war, als habe das Wort Universität ihn zu deutlich daran erinnert, wie Erik sich die Fortsetzung seines Studiums erkauft hatte.
Sie ließen sich in Richtung Chapiteaueingang treiben, wo, wie sie meinten, Britta sie erwartete. Doch als der Strom sie nahe genug herangespült hatte, mußten sie erkennen, es waren zwei fremde Mädchen, die da in feschen roten Uniformen die Billetts kontrollierten. Matti wies dem einen seine Karte vor, erntete ein Stirnrunzeln und bekam in ärgerlichem Tonfall erklärt, die sei ungültig, mit der sei ja wohl schon jemand hineingegangen.
Er erläuterte, woher der Riß rühre, nämlich von einer dämlichen Reißzwecke. Aber das Mädchen glaubte ihm nicht. Hinter ihnen erhob sich schon lautstarkes Murren. Da trat Erik vor und sagte freundlich, Britta Werchow könne bezeugen, was eben gesagt worden sei, an ihrem Spind befände sich die Reißzwecke, das Mädchen kenne doch Britta, oder? Nun, und sie hier, er wies auf Matti und sich, sie seien ihre Brüder.
»Na dann«, sagte die Einlasserin, »dann ist die Sache klar. Entschuldigt bitte, aber ihr glaubt ja gar nicht, zu welchen Tricks die Leute greifen, um hier reinzukommen; Devantier, also unser Direktor, hat uns extra nochmal angewiesen, aufmerksam zu sein. Er macht uns zur Minna, wenn …«
»Schon gut«, unterbrach Erik sie, »wir verstehen das. Aber sag mal – wo ist eigentlich Britta? Müßte sie nicht hier kontrollieren?«
Das Mädchen lachte: »Sie ist heute plötzlich zu was anderem abkommandiert worden.«
»Wozu denn?«
»Werdet ihr schon sehen, werdet ihr schon sehen, geht nur rein, na geht schon, ihr habt ja einen richtigen Stau fabriziert.«
Und dann saßen sie, und dann wurde es dunkel, und dann ertönte der erste Tusch, und acht prächtige Schimmel galoppierten in die Manege, ein jeder mit schwarzen Federbüschen auf dem Kopf und schwarzem Sattel auf dem Leib, und ein Mädchen mit pechschwarzen Haaren und in blütenweißem Kleid läuft, ach was, schwebt herein und springt auf einen Schimmel und vollführt Handstand und Salto, und eh man sich’s versieht, sind es acht Mädchen ihrer Art und acht Handstände und acht Salti, und lauter als die Musik tönt das Ah und Oh des Publikums, und wenn das allen zu Herzen ging, so folgt jetzt etwas, das allen das Herz stillstehen läßt, es folgt John Klinger, der doch glatt noch mehr Messer, und noch schärfere, als der Küchenchef vom »Neptun« in Warnemünde parat hat, und sieh mal einer an, er wirft die Dinger ja auf beziehungsweise neben, wollen wir mal hoffen neben das ausgesprochen freundliche Mädchen, das eben noch am Eingang die Karten abgerissen hat, kurz angebunden ist es jetzt, mit Stricken an den schmalen Gelenken, und die wuchtige Scheibe aus Gummi, an der es reglos wie ein konservierter Schmetterling klebt, wird nun gnadenlos in Drehung versetzt von John, der dabei unergründlich lächelt, und das Mädchen, der bezaubernde gefangene Falter, hat gespreizte Arme und Beine, die schon kaum noch jemand auseinanderhalten kann, so wild werden sie gedreht, und John, der Dämon, wirbelt sie noch weiter herum, und die Pauke macht bumm-bumm, und das erste Messer zischt, dschumm! in den Gummi, na wahrlich, das hier ist nichts für Bummi, Schnatterinchen und Pittiplatsch, denn kein Quatsch, wenn das Mädchen seinen Kopf nur einen Zentimeter bewegte, könnte es sein heißes Ohr am herbeigeflogenen kalten Stahl kühlen, und gleich darauf die Schenkel, und den Hals, und die Brust, und als John es mit lässiger Geste, voilà! Herrschaften, auch heute wieder sind wir doch recht sorgsam miteinander umgegangen, nicht wahr? endlich losbindet, ist der Umriß des zarten Körpers mit all den Messern auf der Scheibe nachgebildet, eine harte, die härteste Zeichnung der Welt, und raus damit aus der Manege, und während die schrecklich schöne Skizze von ein paar muskulösen Helfern davongetragen wird, stolpert schon der dickbäuchige Clown Beppo herein und greift unter die rot angemalte Tischtennisballhälfte, die er sich vor seine Nase gebunden hat, und beginnt ungeniert zu popeln, und die Popel sind aber gar keine Popel,
Weitere Kostenlose Bücher