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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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schönes Fräulein wandert hier ganz allein herum? Das ist ungewöhnlich und würde mich, wenn ich nicht gerade davon profitierte, sehr betrüben.«
    »Inwiefern profitieren Sie denn davon?« lenkte Karin Werth ab.
    »Hehe«, rief Heiner Jagielka, »nun sind Sie doch kokett, Sie tun immer so, als wären Sie’s nicht, aber ein bißchen sind’s sogar Sie. Eine schöne Frau, die nicht kokett ist, die muß ja wohl auch erst noch gebacken werden.«
    »Gebacken«, prustete Karin Werth. »Aber apropos, wir stehen hier so in der Landschaft herum, dabei habe ich Kuchen bei mir, und noch ein paar andere Kleinigkeiten.« Sie deutete mit ihrem Daumen hinter sich, auf den Rucksack, und fragte, ob sie Heiner Jagielka einladen dürfe hier in seinem »ureigensten Revier«, sie jedenfalls sei hungrig und durstig.
    Jagielka holte rasch einen Klapptisch und zwei Stühle aus der Scheune. Karin Werth stellte eine Thermoskanne auf den Tisch und breitete die Eßwaren aus: zwei Fettbemmen, zwei Stück selbstgebackenen Marmorkuchen sowie ein, nur ein Ei. Wie sie ja auch nur eine Tasse mitgebracht hatte, denn zwei Eier und zwei Tassen, das hätte vielleicht zu organisiert gewirkt …
    Heiner Jagielka lief noch einmal in die Scheune, kam mit einer eigenen Tasse wieder. Er blinzelte zufrieden in die rapsgelbe Sonne, die sich über den ewiggrünen Baumwipfeln im stahlblauen Himmel erhob; blanker vorbehaltloser Sommer herrschte jetzt endlich auch in ihm, ein Umstand, dem er Ausdruck verlieh, indem er sagte, dies alles, weil Karin Werth doch danach gefragt habe, sei der Nutzen, den er aus ihrer einsamen Wanderung ziehe – dieser herrliche Blick auf die satten, von ihm allzu oft übersehenen Farben, und des Fräuleins »garantiert schmackhafte Mitbringsel«, ja ihre bloße sanfte helle Anwesenheit, die stark kontrastiere mit derjenigen des zweiten respektive ersten Besuchers, des lange vor ihr hier oben erschienenen muffligen Blumenabholers, dem Gespenst in schwarzer Lederjacke und schwarzen Stiefeln, huhh, huhh, schüttelte sich Heiner Jagielka.
    Da war Karin Werth so gut wie am Ziel ihrer heutigen Wanderung. »Wirklich«, fragte sie voller Mitgefühl, »so martialisch sieht Ihr Mann aus?«
    Heiner Jagielka nickte und sagte, wenn seine Blumen imstande wären zu sehen, würden sie, das wage er zu prophezeien, beim Anblick des Mannes »richtiggehend wegknicken«.
    »Und so eine Gestalt wird von den Grenzern nicht kontrolliert, das mag man kaum glauben. Glauben Sie das denn diesem Mann? Oder plustert der sich nur auf?«
    »Dem kann man vieles vorwerfen, aber nicht, daß er sich aufplustert. Der zieht sein Gefieder ja ständig zusammen. Die Erklärung, daß er von den Grenzern durchgewinkt wird, ist ihm auch nur aus Versehen rausgerutscht, ich erinnere mich: Er war eines Nachts aus irgendwelchen Gründen, die mir nicht bekannt sind, zu spät hier erschienen, und trieb mich an, ich solle hinnemachen mit dem Verladen der Kisten. Aber Sie kennen mich ja nun schon ein bißchen, Fräulein Werth, ich lasse mir nichts vorschreiben, nicht wahr, ich nicke beflissen und mache deswegen noch lange nicht schneller!«
    »… Ja … und was ist ihm denn dann rausgerutscht?«
    »Daß er’s schon schaffen werde bis um drei Uhr in den Großmarkt in Westberlin, eben weil man ihn ja nicht mehr kontrolliere. Die Grenzer enterten den Wagen nicht mehr, Anweisung der Grauen Eminenz, nachdem er, also der Fahrer, wegen der ständigen ausufernden Schnüffelei am Checkpoint ein paarmal zu spät auf den Markt gekommen und deshalb die ganze Lieferung zurückgegangen sei.«
    Karin Werth wollte nun noch gern in Erfahrung bringen, wie es ihr wohl gelingen könne, den Wagen zu entern, da tippte Heiner Jagielka auf das Ei, das, außer ein paar Kuchenkrümeln, übriggeblieben war, und sagte: »Aber so essen Sie doch!«
    Karin Werth rollte es zu ihm und entgegnete: »Nein, Sie!«
    Und nochmal das Ganze, einmal hin, einmal her, rundherum das ist nicht schwer.
    Endlich ergriff Jagielka das Ei. Er schälte es gewissenhaft und aß es langsam, geradezu mit Andacht. Karin Werth spürte, jetzt ließ sich der Gesprächsfaden nicht wiederaufnehmen. Sie sagte, »also, das war ein sehr angenehmes Frühstück mit Ihnen, aber jetzt heißt es weiterwandern«, sie packte Brotbüchse und Thermoskanne in ihren Rucksack und erhob sich.
    »Ja«, sagte Heiner Jagielka, »auch ich muß nun wieder. Wo soll denn aber Ihr heutiger Streifzug Sie noch hinführen, Fräulein Werth?«
    »Ooch, noch ein bißchen

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