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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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versuchte, diese Einfallslosigkeit des Autors, dieses Ergreifen und sofortige Einpflanzen der erstbesten Wendung zu vergessen, aber das gelang ihr nie, der Makel wirkte bis zum Ende des Buches, in dem Sinne, daß sie das Buch nun unfreiwillig und geradezu zwanghaft nach weiteren Makeln durchforstete und selbstverständlich welche fand … und jetzt, schoß es ihr durch den Kopf, bist du selber einfallslos und genügsam! Sie suchte nach einem anderen Vergleich, nach einem anderen Bild, indes gelang es ihr nicht, sich darauf zu konzentrieren, denn viel mehr war sie nun damit beschäftigt zu verfolgen, wie Jagielka wieder in die Scheune ging und die Zunge sich langsam, langsamer, als sie herausgeschnellt war, wieder zurückzog, er mußte die Tür bedächtig geschlossen haben.
    Das alles, nahm sie sich vor, mußt du dir merken, jedes Detail könnte wichtig sein.
    Nach vielleicht zehn Minuten vernahm sie ein Brummen. Einem Vogel, der wohl nicht weit von ihr saß, entfuhr ein hoher Schrei, auf dem Erdboden raschelte etwas. Ein paar Sekunden später erhellten zwei Lichter die Wiese. Sie streiften die Scheune, blendeten plötzlich Karin Werth, die ihre Augen schloß und sich auf den Boden warf; der LKW fuhr einen Bogen, stieß zurück und hielt so, daß sich seine Ladefläche etwa zwei Meter vor dem Scheuneneingang befand. Heiner Jagielka trat dort heraus, und im selben Moment sprang der Fahrer vom Bock. Er trug, wie von Jagielka beschrieben, schwarze Lederstiefel und eine schwarze Lederjacke, Karin Werth, die vielleicht fünfzehn Meter von ihm entfernt lag, konnte es genau sehen, denn er bewegte sich nun im grellen Licht, das aus der Scheune drang, sie erkannte sogar weitere Einzelheiten wie seinen Kurzhaarschnitt und daß er sein Hemd bis zum letzten Knopf geschlossen hatte. Die beiden Männer nickten sich zu, und der Lederne schlug die Plane hoch – versuchte sie hochzuschlagen. Zweimal fiel sie wieder herunter, wobei ein Geräusch ertönte, als schwänge ein Bussard oder ein Adler seine Flügel, da endlich stieg er auf die Rampe und erledigte das Hochschlagen von dort. Karin Werth vermutete, er werde jetzt oben auf dem Laster bleiben, die Blumenkisten in Empfang nehmen und verstauen. Aber das war nicht der Fall. Er sprang vom Wagen, lehnte sich an dessen Seitenwand und zündete sich eine Zigarette an. Indessen schleppte Heiner Jagielka eine aus drei Stufen bestehende Holztreppe aus der Scheune und stellte sie vor die Ladefläche. Karin Werth fiel ein, daß sie ihn nie hatte rauchen sehen und er sich wohl nichts aus Zigaretten machte. Sie bedauerte das. Sie lauerte auf Momente, in denen der Laster unbeobachtet sein würde, und so ein Moment hätte sich doch ergeben können, wenn beide Männer rauchten und hierbei vielleicht ins Schwatzen gerieten. Aber nie würden sie beide rauchen! Jagielka hievte die Kisten auf das Fahrzeug. Welche Blumensorten sich darin befanden, konnte sie nicht erkennen, und es war auch egal, sie registrierte einfach nur, daß sie außerstande war, es festzustellen. Der Lederne drückte die Zigarette aus, half er Jagielka jetzt? Gefehlt. Er ging die Scheune entlang, stellte sich an deren Hinterwand und schlug ebenda Wasser ab, voll auf die Bretter, sie hörte es prasseln und verachtete den Ledernen allein deshalb: weil er, umgeben von Wald und Wiese, ausgerechnet an die Scheune pinkeln mußte. Es erschien ihr wie ein Beschmutzen Heiner Jagielkas. Der Lederne schloß seinen Hosenstall und ging zurück, eine zweite Zigarette glomm auf. Nach etwa fünfzehn Minuten hatte Jagielka das Verladen beendet. Der Lederne bequemte sich, ihm die Treppe in die Scheune zu tragen. Läge darin vielleicht eine Chance? Nein. Er übergab das Gestell noch an der Tür, machte gleich wieder kehrt, er ließ die Plane herunter, befestigte sie und fuhr ohne weitere Umstände los, ein hartes Klimpern ertönte und entfernte sich, sie hatte keine Ahnung, was das für ein Klimpern war.
    Sie erhob sich und wischte die Hände aneinander, um sich den Schmutz abzureiben, aber es funktionierte nicht recht, sie waren harzig. Alles in allem war sie desillusioniert. Wie sollte sie unentdeckt zwischen die Blumen schlüpfen? Das hatte sie sich einfacher vorgestellt, beziehungsweise gar nicht vorgestellt hatte sie es sich im einzelnen, sie hatte gedacht, es würde sich schon ergeben; aber natürlich, wenn glückliche Umstände sie so unglaublich leicht über die Grenze würden gelangen lassen, dann sollte es ja wohl auch möglich sein,

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