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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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hier und landen dort. Überall bleiben wir nur kurz. Wir verlassen auch nie den Platz, auf dem wir gerade kampieren. Die Leute besuchen uns, und sie tun das einzig und allein, um sich zu vergnügen. Wenn sie eintreten, sind sie erwartungsvoll, wenn sie gehen, sind sie glücklich. Und wir sind es auch. Wir leben in unserer eigenen kleinen Welt, und die Verbindungen nach draußen sind viel spärlicher, als du denkst. Sie sind auch gar nicht nötig, da muß man ehrlich sein. Warum sind sie nicht nötig, wirst du fragen. Weil das Gefühl, in dieser kleinen Welt gefeiert zu werden, unvergleichlich ist. Mehr brauchst du nicht. Das, und nur das, willst du immer wieder, dafür lebst du. Auch ich lebe längst dafür. Vorhin, das war nämlich nur die halbe Wahrheit. Ich habe dir gesagt, ich will nicht für mein Aussehen Beifall ernten, sondern für meine Leistung, und daraus hast du bestimmt entnommen, das wäre meine Motivation, hast du?«
    »Natürlich.«
    »Siehst du! Und das ist falsch – teilweise. Mir fehlte der Beifall, nachdem ich mit dem Jonglieren aufgehört hatte, Matti, nur deshalb habe ich nach was Neuem gesucht. Um ihn eines Tages wieder zu kriegen. Alles andere blende ich automatisch aus. Alles andere vergesse ich so lange, bis mich einer mit der Nase drauf stößt. Du kannst jetzt sagen, das ist unverantwortlich und dumm, weil ich mir selber Scheuklappen aufsetze, und damit hast du bestimmt recht. Aber ich habe auch recht, Matti. Weil ich nämlich glücklich bin!«
    Und du nicht! Das hatte Britta zwar nicht gesagt, aber Matti hatte es herausgehört. Er sagte leise: »Es ist jetzt überhaupt nicht die Zeit, sich so zu verhalten …«
    »Und das bestimmst du so einfach, ja? Es ist gerade nicht die Zeit – und basta! Als ob alle so schwer denken müßten wie du. Du kannst mir doch nicht vorschreiben, wie ich zu fühlen habe. Du kannst doch nicht erwarten, daß jeder leidet. Als ob deine Maßstäbe für alle gelten müßten.«
    »Ich kann nichts dafür, ich weiß auch nicht, warum das so ist.« Er klang auf einmal kleinlaut.
    Britta erschrak. Sie hatte ihn herunterholen wollen von seinem hohen Roß – aber auf der Erde liegen sehen wollte sie ihn auch nicht. Sie stieß ihr Knie gegen das Mattis und sagte: »Wir streiten uns aber, was?«
    »Was gesagt werden muß, muß eben gesagt werden.« Matti schniefte, er hörte sich immer noch an wie ein Kind, das gesenkten Kopfes eine Schelte über sich ergehen läßt, weil es etwas ausgefressen hat.
    Plötzlich ging Britta auf, daß in Mattis kategorischer, unduldsamer Haltung genau das lag – etwas Kindisches. Ja, dachte sie, wie ein Kind ist er sensibel und hart, verschämt und rasend, klug und dumm zugleich, und vor allem, vor allem fehlt ihm wie einem Kind die Fähigkeit, die Welt mit anderen Augen zu betrachten als mit seinen eigenen. Sie spürte, daß sie ihn jetzt ausnahmsweise einmal an die Hand nehmen sollte, und sagte mit betont ruhiger Stimme: »Laß uns weiter über dein Buch sprechen, wir hatten doch gerade erst damit angefangen. Also, erzähl mir den Inhalt, wie verläuft die Geschichte?«
    »Leider – das kann ich dir nicht sagen.«
    »Wieso kannst du es mir nicht sagen?«
    »Weil ich nicht kann.«
    »Was soll denn das nun wieder heißen? Ich habe dir meine Übung auch gezeigt. Ich habe sie dir gezeigt, obwohl sie streng geheim ist. Alles habe ich dir offenbart an unserem Enthüllungsabend – und du willst auf einmal schweigen? Das ist nicht fair!«
    Matti sagte aber mit Bestimmtheit: »Man kann das nicht vergleichen. Zwischen deiner Übung und meiner Geschichte besteht nämlich ein riesiger Unterschied. Indem du mir deine Übung zeigst, verbesserst du sie ein Stückchen, und sei es ein klitzekleines. Und selbst wenn du sie nicht verbesserst, so zerstörst du sie doch nicht …«
    »Warum sollte ich sie denn damit auch …«
    »Moment! Aber ich habe das Gefühl, als zerstörte ich meine Geschichte, wenn ich sie dir vorab erzähle. Als nähme ich mir selber die Worte weg. Die Geschichte wäre dann schon in der Welt, aber ich hätte sie nur so dahingeschludert, einfach und plump, und käme auf der Schreibmaschine über das Plumpe nicht mehr hinaus. Keine Ahnung, wie richtige Autoren das halten. Vielleicht können die alles vorher erzählen, vielleicht nützt es ihnen sogar. Mir nützt es aber nicht, das spüre ich genau. … Du guckst mich so verständnislos an. Es erscheint dir komisch, was ich sage, nicht wahr? Und es muß dir ja auch so erscheinen, bei

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