Brüder und Schwestern
finden, bei der ich durch Leistung überzeugen kann. Und der Meinung bin ich ja jetzt durchaus: daß die Leistung stimmt. Aber sobald jemand kommt und einen Zungenschlag macht wie du eben, stelle ich sie wieder in Frage und denke, letztlich ist es wieder nur das Äußere. Alles kippelt so.«
»Aber noch einmal: Du stellst deine Schönheit nicht aus! Das ist nicht der Fall!«
»Das ist nicht der Fall?« stieß Britta auf einmal angriffslustig hervor. Sie war wie ein Kätzchen, das es leid ist, gestreichelt zu werden, und plötzlich zu fauchen beginnt. »Da irrst du aber, mein lieber Traumtänzer! Ich sage das extra für dich, weil ich glaube, es sollte dir sowieso mal gesagt werden: Jede schöne Frau stellt ihre Schönheit auch aus. Die eine tut’s nur offensichtlicher als die andere. Keine verzichtet darauf, da bin ich mir sicher. Es heißt, ich sei natürlich? Na, das ist schon richtig, ich bin überaus natürlich. Aber vielleicht bin ich nur besonders gerissen? Überleg dir das mal! Indem ich meine Natürlichkeit kenne, mache ich sie mir zunutze, aber niemand merkt es, denn es handelt sich ja – um die Natürlichkeit. Ich hege und pflege sie, da ich genau spüre, wie sie ankommt, aber niemand ahnt etwas – weil es ja die Natürlichkeit ist. Jetzt guck nicht so erschrocken! Hör nur zu, denn weißt du, was das Beste ist? Ich selber kriege von der Hege und Pflege gar nichts mit, sie läuft komplett im Unterbewußtsein ab. Bis eben war sie dort verborgen gewesen. Das ist perfekt, nicht? Ich habe es mir eben erst eingestanden, und ich wiederhole, das ist auch nur so gekommen, weil du es herausgefordert hast.«
»Wieso habe ich es herausgefordert?« fragte Matti. »Was soll das überhaupt? Wieso bin ich ein Traumtänzer?«
»Das weißt du«, erwiderte Britta sanft. »So wie jeder was ganz Bestimmtes von sich weiß, obwohl er so tut, als wüßte er’s nicht.«
Womöglich spürte Matti selber, wie er errötete, beinahe standen ihm ja Flammen im Gesicht.
Aber Britta war jetzt gnadenlos. »Du bist ein Traumtänzer, weil du beschlossen hast, eine gewisse Dame heiligzusprechen, und zwar genau wegen ihrer Natürlichkeit. Wegen ihrer ach so beeindruckenden Weichheit und Zögerlichkeit. Wie hast du gesagt: Sie kann einen so mitnehmen, nur mit Fragen, sie hat gar keine Scheu, ihre Zweifel zu zeigen. Aber hoppla – und dann hat sie ihre Flucht inszeniert, hat sich ganz zielgerichtet verstellt, nach allem, was man hört. Und du trauerst ihr immer noch nach, ausgerechnet du, der du nichts mehr haßt als die Verstellung, läßt ihr das durchgehen. Du behauptest sogar unbeirrt, es sei auch von ihrer Seite aus Liebe gewesen. Ja großer Himmel, wach doch auf, Matti, wenn es Liebe gewesen wäre, dann hätte sie nicht versucht zu flüchten, sondern hätte es weiter hier ausgehalten, nämlich mit dir, oder nicht? Oder etwa nicht?«
Matti schwieg, denn das war tatsächlich sein wunder Punkt. In seinem tiefsten Innern hatte er nie verstanden, warum Karin Werth versucht hatte zu flüchten. Sie beide waren doch gerade dabeigewesen, sich kennenzulernen. Das bricht man doch nicht ab. Da rennt man doch nicht davon. Aber diese Ahnungen einer Unvollkommenheit Karin Werths hatte er immer in den hintersten Winkel seines Hirns verbannt. So wie er nämlich zu grundsätzlicher Ablehnung neigte, wenn jemand eine moralische Schwäche zeigte, so weigerte er sich beharrlich, bei jemandem, den er einmal in sein Herz geschlossen hatte, auch nur einen Makel zu entdecken. Schwärmen oder Verdammen! Lieben oder Hassen! Nicht einerseits und andererseits, nicht dieses peinliche Hin und Her der ewig Zaudernden und Zagenden!
Britta liebte Matti gerade wegen dieser Klarheit. Sie schaute immer noch zu ihm auf. Weit und breit wußte sie keinen besseren Menschen. Aber wie er immer so stürmisch in eine Richtung zog, das hatte doch auch etwas Ungutes, ungut vor allem, weil er selber nicht glücklich werden konnte, ja wenn sie es mal verglich, dann war sie doch viel glücklicher als er.
»Hör endlich auf, dieser Frau nachzutrauern«, wiederholte sie, »das tut dir nicht gut!«
»Ich trauere ihr nicht mehr nach«, sagte Matti trotzig.
Britta schaute ihn skeptisch an.
»Du glaubst mir nicht?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Aber es ist so! Etwas hat mir unverhofft dabei geholfen …« Matti sprach nicht weiter, seine Gedanken schienen um jenes Etwas zu kreisen.
Britta war jetzt natürlich ganz Ohr. » Etwas klingt aber sehr nebulös. Ist es ein
Weitere Kostenlose Bücher