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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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einmal in seine Kajüte stapfte. Von dort brachte er seinen Knicker herauf; er wirkte wie der Harpunier eines Walfängers, der schusseligerweise zur falschen Waffe gegriffen hat. Er hielt den Knicker aber sogleich Matti hin, wobei er sagte: »Ick kann nur eens, tauchen oder jagen.« Er zeigte zum Himmel über der Wiese: »Is janz leicht. So fett, wie die Enten aussehn, reicht eene für uns vier. Ick brat die ooch nach bewährter Rezeptur. Entweder, wir fahrn zu dem Zeitpunkt schon wieder, dann is sowieso allett paletti, oder wir gluckern langsam ab, dann lassenwa uns ditt Vieh erst recht schmecken.«
    Und so ging Matti auf Jagd. Er stapfte an den Ulmen vorbei auf die Wiese. Obwohl seit Tagen Hitze herrschte, war der Boden weich und saftig, so daß Matti bei jedem Schritt ein wenig einsank. Dann gelangte er an einen schmalen Bach. Er übersprang ihn, hatte nun die flatternden Wildenten schräg über sich. Die Entfernung zum Hochwald schätzte er auf 50 Meter. Er bestückte den Knicker mit einem Spitzkopfdiabolo, legte auf eine der Enten an und drückte ab. Aber sie fiel nicht, gurrend und geifernd machte sich der Schwarm in Richtung Wald davon. Matti lief ihm nach.
    Die ersten zwei Enten zeigten sich wieder über den Wipfeln. Abermals legte er auf eine an, und diesmal traf er. Die Ente machte noch drei, vier Flügelschläge und stürzte dann zwischen die Bäume. Matti versuchte, sich die Stelle zu merken. Er lief in den Wald, suchte ihn, mit den Händen immer wieder Zweige wegbiegend, in leicht gebückter Haltung nach der Trophäe ab. Aber plötzlich öffnete sich etwa zehn Meter neben ihm die bemooste Erde, eine Eisenklappe wurde hochgeschlagen, und zwei Männer in Tarnuniform, die nicht die der Nationalen Volksarmee war, sowie in Stiefeln sprangen nach oben. Sie legten mit Kalaschnikows auf ihn an und brüllten: »Waffe weg! Auf den Boden! Runter! Runter!« Matti warf den Knicker zur Seite und ließ sich fallen. Während die Männer auf ihn zustürmten, sah er aus den Augenwinkeln, daß sich etwas weiter entfernt noch eine erdbedeckte Klappe öffnete und auch von dort zwei bewaffnete Männer auf ihn zuliefen. Einer vom ersten Duo hielt ihm die Kalaschnikow an die Schläfe. Hart und heiß war die Mündung der Waffe, und so fest wurde sie ihm aufgedrückt, daß er fürchtete, sie könne jeden Moment seine Knochen durchstoßen. Nach jener Angst aber erfaßte ihn noch etwas, tiefste Ungläubigkeit. Wie konnte es denn sein, daß er auf einmal in diesem Wald lag und ihm ein geladenes Gewehr an den Kopf gehalten wurde? Es war – völlig absurd war das doch!
    Die Männer rissen ihn hoch und tasteten ihn ab. Die Schachtel mit den Diabolos, die sie fanden, schien sie ein wenig zu beruhigen. Einer hob den Knicker auf, begutachtete ihn und rief zu den anderen: »Nur ein Luftgewehr!«
    Dennoch, mit einem Ruck wurden Matti die Arme nach hinten gedreht. Zugleich trat ihm jemand mit dem Stiefel in die Kniekehlen, so daß er einsackte und auf die Knie fiel. »So bleiben«, befahl einer der Männer, die sich verblüffend ähnlich sahen. Alle hatten feiste Nacken, kurze Haare und glattrasierte Gesichter. Auch spannten ihre durchaus weiten Hosen. Eine Kalaschnikow blieb auf Matti gerichtet.
    »Was machst du hier?« wurde er gefragt.
    Ihm lag auf der Zunge, zurückzufragen, was sie hier machten, aber er traute sich nicht. »Wildenten schießen«, antwortete er.
    Die Männer schauten sich schweigend an. Ein anderer als jener, der die erste Frage gestellt hatte, forderte Matti auf zu erklären, wie er dazu komme, in dieser Gegend Wildenten zu schießen.
    »Wieso in dieser Gegend«, wagte Matti zu sagen.
    »Wir sind es, die hier Fragen stellen! Also?«
    »Ich bin Schiffsführer. Wir hatten eine Havarie.«
    Die Männer warteten, ob er noch etwas ausführen würde, aber vergeblich. Einer machte eine Kopfbewegung zur Havel hin und fragte: »Du kommst also von dort?«
    Matti schwieg. Er hatte darauf schon geantwortet.
    Wieder ein anderer fragte genervt: »Was für ein Schiff?«
    »Ein Motorgüterschiff mit Großplauer Maß, das auf der volkseigenen Werft Roßlau gebaut und 1961 in Dienst gestellt wurde.«
    Er hatte das so leiernd hervorgebracht, daß die Männer ihn aus Augenschlitzen anblitzten. Einer trommelte dazu mit Zeige- und Mittelfinger auf seine Kalaschnikow, ein anderer verlagerte sein Gewicht immer wieder von einem Bein aufs andere. Da und dort in dem dichten Wald knisterten die Äste.
    Auf einmal ertönte von weitem ein trockenes

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