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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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anzusehen. Ach hör auf, fang nicht an zu spinnen, das ist ja lächerlich, was du gleich daraus machst, sie marschieren einfach nur gemeinsam den blöden Weg hinunter, schalt sie sich im nächsten Moment. Und selbst wenn noch was geschähe, selbst wenn, Ruth nützte es gar nichts mehr. Plötzlich begann Britta zu weinen; jetzt noch? Das erstaunte nun Erik. Etwas linkisch zog er sie an sich und geleitete sie runter zur »Sonne«.
    Catherine hatte es dort so eingerichtet, daß sie vor Matti an den reservierten Tisch getreten war. Sie zog recht langsam einen Stuhl zurück, ein Test sollte das sein: Wenn sie sich nicht völlig täuschte, mußte Matti, ehe ein anderer es tat, nach dem Stuhl neben ihr greifen. Und da waren schon seine Knöchel auf der Lehne, der richtigen. Beide schauten nach vorn und zur Seite, wo jetzt der Rest des Grüppchens Platz nahm, beide schauten auch noch so, als alle längst saßen. Dann aber war es unvermeidlich für sie, sich einander zuzuwenden; nicht nur kein Wort hatten sie ja bis dahin gesprochen, auch zu keinem richtigen Anblicken war es gekommen. Matti fixierte Catherine mit unbeweglichen ernsten Augen. Dazu zog er leicht seine Brauen zusammen. Trotzdem gewann sie den Eindruck, als erfasse und begrüße er ihr ganzes Gesicht. Sie lächelte ein wenig, aber er reagierte nur insofern, als daß sein Blick schleierhaft wurde.
    »Dir geht es gar nicht gut, nicht?« sagte Catherine.
    Matti zuckte mit den Schultern. Zugleich schluckte er so heftig, daß ihm sein Adamsapfel fast an die Kinnlade stieß.
    Nach diesen einander zuwiderlaufenden Antworten, die sie nicht recht zu deuten wußte, beschloß Catherine, Matti auf Ruth anzusprechen, saß man nicht deretwegen hier? Und was wußte Catherine denn bislang über Ruths Tod? Nur daß es sich um Selbstmord handelte.
    »Was ist mit Ruth gewesen?« fragte sie schlicht.
    Matti schaute sie erneut aus unbeweglichen ernsten Augen an. Dann gab er Willys Erklärung wieder. Er schloß mit den Worten: »Manchmal muß ich jetzt daran denken, daß Ruth in der Deutsch-Sowjetischen Freundschaft gewesen ist, verrückt, oder? Ruth ist tot, und ich denke an so was Nebensächliches.«
    »Ich finde das nicht so unnormal, das ist der Fluchtimpuls der Gedanken. Außerdem halte ich es nach dem, was du mir eben berichtet hast, auch gar nicht unbedingt für eine Nebensächlichkeit. Wahrscheinlich dachte Ruth, wenn sie da nicht reingehe, würden ihr unangenehme Nachfragen gestellt, ob sie vielleicht was gegen die Freunde habe. Und natürlich hatte sie. Aber sie wollte oder konnte eben nicht darüber reden, sie hatte eine Heidenangst davor.«
    Matti nickte. »Im nachhinein erkennt und begreift man vieles. Stell dir vor, einmal zu Weihnachten ist Britta mit einer echt russischen Schapka angekommen. Sie hatte sie von einem Artisten geschenkt gekriegt …«
    »Juri«, warf Catherine ein.
    »Juri. Und weißt du, was Ruth tat? Sie lobte nicht nur die Mütze überschwenglich, sondern setzte sie sich am Weihnachtsabend, während unseres Geschenkeauspackens, auch selber auf. Sie wollte sie gar nicht mehr abnehmen. Darin lag eine gräßliche Übertreibung, wie wir mittlerweile wissen, aber damals haben wir darüber hinweggesehen, wir haben gelächelt, als säßen wir selber im Zirkus. Wie wir auch darüber hinweggesehen haben, daß unser Vater peinlich berührt gewesen ist von Ruths Verhalten. Wir dachten, er besitzt eben keinen Humor, so ist er nun mal. Dabei hat er alles als schlechte Inszenierung erkannt.«
    »Mach dir deswegen keine Vorwürfe«, sagte Catherine leise. »Hörst du?« Sie hauchte es beinahe, denn begütigend auf jemanden einwirken, das muß man nunmal so und nicht anders.
    Matti schüttelte den Kopf, wobei er ein wenig stöhnte; dies konnte ebensogut ›tu ich ja nicht‹ wie ›du hast ja keine Ahnung‹ heißen.
    Catherine entschied sich dafür, Variante zwei gehört zu haben, und sagte: »Vorwürfe soll man sich machen, wenn man etwas begriffen hat und trotzdem tatenlos geblieben ist. Aber war das denn hier der Fall? Ich glaube nicht. Drehen wir doch die Sache einmal um, stellen wir uns, auch wenn es schwerfällt, einmal vor, Ruth säße jetzt noch unter uns, sie hätte uns für heute sogar eingeladen, einfach aus Lust und Laune. Wie würdest du unter diesen Umständen wohl auf ihre Schapka-Vorführung zurückschauen? Ich bin mir sicher, du würdest sie als Beweis dafür nehmen, daß Ruth glücklich und zu den schönsten Überraschungen fähig sei.«
    Matti sah

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