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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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sie skeptisch an, da rief Catherine beschwörend: »Ich will dir nichts einreden. Schau doch nicht so. Was ich sage – das glaube ich. Und du, du kannst es auch glauben.«
    Die meisten anderen, die längst die Speisekarte studierten, blickten leicht indigniert auf, Britta aber sah eine Göttin aus glühender Bronze und dachte, Bruder, Begräbnis hin, Begräbnis her, wenn du sie dir jetzt noch entgehen läßt, dann ist dir wirklich nicht mehr zu helfen.
    Und siehe, Matti rückte mit seinem Stuhl nach hinten und bedeutete Catherine, ihm zu folgen. Er hatte ihr wohl was Intimes mitzuteilen, er sagte im Flüsterton: »Was wir hier so endlos diskutieren, ist überhaupt nicht das, was mich gerade beschäftigt. Willst du wissen, was mich gerade beschäftigt?«
    Sag, antworteten Catherines dunkelbraune Augen.
    »Mich beschäftigt, daß mich Ruths Tod gar nicht richtig erreicht. Warum ist das so? Ich glaube, weil auch sie selber mich nicht mehr erreicht hat. Wenn ich ehrlich bin, ist sie mir fremd geworden, schon als ich noch hier gewohnt habe. Ich habe mich sogar von ihr benutzt gefühlt, denn ihre Liebe war hysterisch und hatte etwas Gehetztes. Ich, und genauso Britta und Erik, wir sollten ihre Retter sein, aber diese Rolle konnten wir nicht ausfüllen, ich konnte es jedenfalls nicht. Und deshalb komme ich mir jetzt, da wir nach Begründungen für ihre Tat suchen und jede Schapka und jedes Mitgliedsbuch daraufhin abklopfen, ob vielleicht ein Körnchen Ursache herausfällt, nicht wie ein Sohn vor, dem es das Herz zerreißt, sondern wie ein Detektiv, der seine Arbeit verrichtet. Das war ja schon so, als unser Vater uns informiert hat. Es ist während jener Unterredung nicht alles zur Sprache gekommen, da bin ich mir sicher. Zum Beispiel leuchtet mir nicht ein, warum Ruth erst so lange nach dem eigentlichen Geschehnis keinen anderen Ausweg mehr gesehen haben soll als den Tod. Jahrzehnte danach erst, das erscheint mir äußerst unlogisch. Willy sagt, als sie erfahren habe, daß er alles wisse, sei sie fortgedriftet, vorher nicht. Aber selbst wenn es so gewesen sein sollte – was hat er dann gegen ihr Wegdriften getan? Das sagt er nicht. Sich zu diesem Thema zu äußern, davor drückt er sich. Ich müßte ihn nun bedrängen, es müßte in mir wühlen. Aber das tut es nicht! Ob ich ihn noch einmal genauer befragen werde? Ich nehme es mir vor wie die Abarbeitung eines offengebliebenen Punktes auf einer Liste, ich nehme es mir vor, weil es sich so gehört und die Pflicht es gebietet – nur deshalb!«
    Während seiner plötzlichen Offenbarung hatte Matti Catherine mit flackerndem Blick angeschaut, aber sie hatte bald zu Boden gesehen. Was redete er da? Erst tat er schön, und dann breitete er die kältesten und schroffsten Charakterzüge vor ihr aus, er benahm sich ja, als wolle er sie mutwillig abstoßen.
    Endlich sah sie wieder auf. Er schaute sie aber nicht böse an, eher schien er sich etwas zu erbitten oder zu erhoffen von ihr.
    Man brachte das Essen. Während sie kaute, fragte sie sich unablässig, was dieser Blick ihr wohl besagen sollte; und mit einemmal glaubte sie es zu wissen. Matti hatte sie gar nicht wegstoßen wollen – im Gegenteil, er hatte vor ihr sein Innerstes nach außen gekehrt, hatte sie ohne jede Ankündigung in seine Abgründe blicken lassen. Niemand anderem gegenüber wollte er das tun, sonst wäre er doch nicht vom Tisch weggerutscht. Er hat mich sogar seiner Schwester vorgezogen. Er hat mich hineinholen wollen in seine geheimste Welt. Catherine, dumme Trine, was hast du denn erwartet, süße Worte, in dieser Stunde? Er ist doch noch mit Ruths Tod beschäftigt, viel mehr als du, viel mehr, als er selber denkt. Er verflucht seine Gefühllosigkeit – dabei ist dieses Verfluchen pures Gefühl, er weiß es nur nicht, oder er will es nicht wissen.
    Sie war jetzt mit dem Essen fertig. Sie strich sich ihre schwarzen Haare hinter die Ohren, die Geste, die sie sich seit der Kindheit bewahrt hatte, und sah Matti endlich voller Ruhe an, mit dem Ernst, den sie die ganze Zeit von ihm empfangen hatte.
    »Du wolltest nicht hören, was ich dir von Ruth und mir erzählt habe, nicht wahr?« fragte Matti.
    »Ich hatte es nicht erwartet. Aber jetzt finde ich gut, daß ich es gehört habe. Vielleicht sage ich dir später einmal noch was dazu, jetzt sollten wir vielleicht über etwas anderes reden? Zum Beispiel könntest du mir von deinem Kahnfahren erzählen.«
    »Später?« Da hatte er wieder den schleierhaften Blick, den

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