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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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ausgetrunken? Du kannst doch niemals ausgetrunken haben, ich wiederhole, niemals würdest du dann noch leben.«
    »Ich habe ihn nicht leergemacht, fortgeworfen habe ich ihn«, flüsterte Antonio, wobei er die Augen niederschlug. Er machte den Eindruck, als sei ihm diese kindlich-mutige Tat, der er doch sein Überleben verdankte, peinlich.
    »Aber wieso schämst du dich denn? Das war großartig, wie du reagiert hast. Bestimmt haben die Tropfen so gebrannt, daß du gar nicht anders konntest. Du hast gleich die ersten ausgespuckt, ja? Das war deine Rettung, Antonio, deine Rettung!«
    »Nicht gebrannt«, korrigierte er mich wieder.
    Verstehe das, wer will, Schierling brennt im Mund. Ratlos schaute ich zu Vestis, aber auch der zeigte sich verwundert. Ich wiederholte: »Nicht gebrannt? Wie soll ich das begreifen? Bitte, Antonio, laß mich dir nicht alles aus der Nase ziehen, versuche um Himmels willen, mir genau zu erklären, was damals geschehen ist, eins nach dem anderen, Antonio, versuche, dich zu erinnern, ja?« So bettelte ich.
    Tat ich ihm leid? War er es selber leid? Jedenfalls zwang sich Antonio nun, alles in einem Zuge zu erzählen, was die Zeit nicht aus seinem Kopf geschwemmt hatte; und als er am Ende angelangt war, da wußten Vestis und ich, warum er eine solche Pein empfand, und wir bekamen eine Ahnung, welche Überwindung es ihn gekostet haben mußte, uns die Wahrheit zu gestehen. Wie um sich zu befreien, platzte er sogar gleich mit dem Allerwichtigsten heraus.
    »Kein Gift war in dem Becher. Kein Schierlingsfitzel. Es war so. Der Anführer strammt in den Palazzo, der Oberste, der Oberste. Er hat auch Gefolger, voller Waffen hängen sie. Er befehligt meine Eltern. Mama drückt mich fest. Er befehligt sie lauter, Mama drückt mich fester. Seine Gefolger reißen mich zu ihm. Er hebt mich gleich. Mama schreit und weint, und Papa will mich von ihm wieder lösen. Ein Kopfschlag auf Papa, und er fällt um. Und Mama weint immer toller. Da nimmt der Anführer eine Hand unter mir weg. Weil Mama so viel weint. Und dann faßt er einen Becher aus seiner Tasche und, und sammelt die Tränen ab unter, hier, Karandasch, was ist das … ja, ja, unter dem Kinn meiner Mama. Unter dem Kinn. Aber sie will nicht, daß er das macht. Sie stößt ihn weg, aber er zügelt sie am Haar, zurück über den Becher. Es tropft wieder rein. Und dann, trink, fordert er von mir, na trink, ist doch von deiner Mama. Ich folge vor ihrem Gesichte. Wenig davor hält er mich hoch. Aber es schmeckt nicht, pfui, ich spucke das weg, auf meine Mama. Da sagt er … ich weiß nicht, was er sagt, es war zu leis. Ach! Aber Mama schrumpelt. Mama schrumpelt, weil er das gesagt hat in ihr Ohr. Letztens streichelt er mich und trägt mich fort, und während dem winkt er zu ihr mit meinem Arm, so, siehst, Karandasch?« Der Junge nahm meinen Arm und wackelte mit ihm, er riß so kräftig daran, wie er nur konnte.
    Ich ließ es geschehen, was sonst. Indessen fragte ich mich, was der Oberste, der Lump, Meta geflüstert hatte. ›Siehst du, Meta, dein eigener Sohn bespuckt dich, dein eigener Sohn will nichts mehr von dir wissen, ein kluges Bürschchen, Meta, ich werde mich seiner annehmen‹; etwas in der Art muß es gewesen sein. Erst langsam ging mir die ganze Perfidie seines Handelns auf. Durch Antonio hat er, als die Gelegenheit günstig war, Meta vernichten lassen, durch ihr Kind. Gewiß, sie war schon vernichtet, bevor sie verbrannte. Antonio wiederum war ebenso schlimm geschlagen, jetzt jedenfalls. Lange hatte er sich des Vorfalls nicht erinnert. Lange hatte er Ruhe vor sich gehabt. Doch nun, nachdem er von mir in die Erinnerung geführt worden war, mußte er sich der Scheußlichkeit bewußt sein, zu der man ihn damals gezwungen hatte. Daher seine Scham, er war jetzt alt und wissend genug, sich schuldig zu fühlen. Hatte mich der Oberst deshalb bestellt? Um Antonio diese grausame Schuld fühlen zu lassen? Oh, er hatte! Niemals war vom Obersten beabsichtigt gewesen, Antonio zu »rudimentärer Bildung« zu verhelfen, denn wenn, dann hätte er damit viel früher beginnen können und müssen. Vielmehr hatte er geduldig auf die Zeit gewartet, da der Junge endlich bereit sein würde, sich in die finstersten Winkel seiner Vergangenheit führen zu lassen, von mir, wie ich jetzt mit voller Klarheit begriff. Nichts anderes hatte der Oberste im Sinn gehabt. Jeden spannte er vor seinen Karren, und mit einer phänomenalen Schlauheit jeden seinen schönsten Fähigkeiten

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