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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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verbergen, doch es glückte ihm nicht, und so traten bei ihm jetzt deutlich Züge von Neid und Mißgunst hervor. Unverkennbar, er gönnte Erik dessen abartig kurze Dienstzeit nicht, er setzte sie wohl zu seiner ins Verhältnis.
    Und wie sich herausstellte, taten das alle anderen auch. Der EK, der schon zweimal mit listigen Bemerkungen aufgefallen war, gab zu bedenken, daß Eriks Geschichte ja gar nicht stimmen müsse, und schlug vor, jemanden zum Ixer zu schicken, um weitere Informationen einzuholen, erst danach könne man wirklich wissen, woran man bei dem Neuen sei. Er gedachte, diesen Botengang einem der vier Vizes in der Stube zu übertragen. Splittig aber beschied: »Geh du selber, Katze, die Angelegenheit is zu wichtig, um sie irgendnem Zwischenhund zu überlassen.«
    Wohl oder übel mußte sich der Gefreite Katzner vom Bett erheben, was er mit hörbarem Ächzen tat. Fünf Minuten später war er wieder da und legte sich wieder lang. Er schwieg, und zwar fortgesetzt. Erst auf mehrmaliges Nachfragen der anderen, und mit nachdenklichem, finsterem Gesicht, gab er an, daß der Ixer alles bestätigt und darüber hinaus, durchaus nicht erfreut, ja wenn er, Katzner, sich nicht täusche, sogar mit einigem Unwillen erklärt habe, der Soldat Werchow sei für die Dauer seiner Anwesenheit in der Kompanie von jedweder körperlicher Tätigkeit befreit.
    »Dickes, fettes Rollstuhlabzeichen«, murmelte Splittig, und wieder drückte seine Miene Achtung wie Mißgunst aus.
    *
    Den EK’s blieb es somit verwehrt, Erik in die ausufernden Spielchen einzubeziehen, die sie mit den Sprutzen trieben und die in den ersten sechs Monaten ihres Dienstes am Weltfrieden und am sozialistischen Vaterland genauso gründlich mit ihnen selber getrieben worden waren.
    Er mußte überhaupt nicht reagieren, wenn sie in einer Stube im Erdgeschoß 14–50er, also Goldbrand-Flaschen zum Preis von 14,50 Mark der Deutschen Demokratischen Republik, vernichteten und plötzlich »Heimfahrt« brüllten. Dann hatten die Frischlinge hinauszueilen, sich extra bereitgelegte Gebüschzweige zu schnappen und damit wieder und wieder in gebückter Haltung unterhalb der Stubenfenster vorbeizulaufen. Weil aber allein mit dem Grünzeug die Illusion einer Bahnfahrt nach Hause natürlich noch nicht perfekt war, trugen sie außerdem aus Schuhkartons gefertigte Pappschilder, auf denen Bahnhofsnamen zu lesen waren, und beileibe nicht irgendwelche, sondern genau die, an denen dieser, und dieser, und dieser in der Stube befindliche EK während seiner richtigen Fahrt tatsächlich vorbeikam. Der aus Klingewalde am nordöstlichen Rand des Bezirkes Dresden stammende Ricardo Splittig zum Beispiel kriegte, exakt in dieser Reihenfolge, zu seiner außerordentlichen Befriedigung folgende Schilder zu sehen: Ueckermünde, Torgelow, Pasewalk, Prenzlau, Angermünde, Eberswalde-Finow, Berlin-Lichtenberg, Königs Wusterhausen, Lübben (Spreewald), Lübbenau (Spreewald), Cottbus, Spremberg, Weißwasser, Görlitz.
    Und Erik brauchte es auch nicht im mindesten auf sich zu beziehen, wenn die EK’s nach einer tagelangen Übung die übriggebliebenen respektive schnöde verschmähten Konservendosen unter dem Ausruf »Außenreviereinsatz« in hohem Bogen aus dem Fenster warfen. Dann hatten die schon erschöpften Frischlinge umgehend ihren Vollschutz anzulegen, der aus Ganzkörpergummianzug, Gummiüberzugsstiefeln, Gasmaske und Stahlhelm bestand. Es war jetzt, man kann sich’s denken, ihre heilige Pflicht, die Dosen aufzusammeln. Bisweilen geschah es aber auch, daß ein EK sie nach der Kollekte für ihren Fleiß belobigte, indem er ihnen zugestand, den Doseninhalt aufzuessen – und wenn es sie auch ekelte vor diesem Atombrot, wenn sie auch genau wußten, es würde ihnen tagelang im Magen liegen wie halbnasser, unaufhaltsam sich härtender Beton, so mampften sie es doch, denn jenes Lob zu verweigern, das schien ihnen nun gar nicht angeraten.
    Obwohl er also von alldem zu seinem Glück ausgeschlossen blieb, war es Erik nicht vergönnt, sich gelassen zu zeigen. Er war ja alles andere als ein stumpfer und dumpfer Charakter, und so bemerkte er, wenn er auf seinem Bette lag, den Grimm der EK’s, die nichts lieber getan hätten, als ihn von dort hinunterzuscheuchen, und ebenso bemerkte er die Mißgunst der Frischlinge, die es als verdammte Ungerechtigkeit empfanden, daß sie gezüchtigt wurden, er aber nicht. Und jener Grimm und jene Mißgunst ließen ihn unwillkürlich den Kopf einziehen. Er nahm an den

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