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Brüder und Schwestern

Brüder und Schwestern

Titel: Brüder und Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Meinhardt
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habe gedacht, für irgendeinen Vortrag. Und heute morgen, heute morgen war sie viel zeitiger unten in der Küche als sonst. Sie ist sogar noch vor mir weg, und ich bin doch auch schon eher los … Jetzt ist mir alles klar … Aber warum … warum bist du eigentlich zu mir gekommen?«
    »Zu wem denn sonst?« fragte sie zurück.
    Matti spürte, wie er errötete.
    »Weil du ihr Bruder bist«, fügte sie schnell hinzu. »Und weil du ein Schlaumeier bist.« Es hatte wohl ironisch klingen sollen, aber die Ironie verlor sich sofort, weil Catherine, während sie sprach, seinem Blick auswich und gleichfalls errötete.
    Matti schlug seine Hände ratlos an die Oberschenkel. »Schlaumeier, das ist ein Irrtum, Catherine, ein Irrtum ist das doch alles … verdammt, es war doch nur eine Laune Brittas, es kann nur eine Laune gewesen sein, ich weiß es, nichts Politisches im Grunde, nichts, was sich gelohnt hätte …«
    »Nein, nichts Politisches«, bestätigte Catherine.
    »Sie hat doch keine, wie soll ich sagen, keine übergreifende Idee«, fuhr Matti fort. »Du kannst die Menschen nämlich danach unterscheiden, ob sie eine Idee haben oder nicht. Das ist eine relativ einfache Unterscheidung, nicht viel schwerer als die zwischen Mann und Frau … du lachst, aber ich meine das ernst, was natürlich, wenn man es weiter bedenkt, auch bedeutet, niemand kann dafür, ob er eine Idee hat oder nicht. Er kriegt sie von den Umstanden zugespielt, oder er kriegt sie nicht zugespielt.«
    »Darüber, ob jemand dafür kann«, sagte Catherine, »läßt sich lange diskutieren, und die Zeit haben wir jetzt nicht. Aber ich gebe dir recht, bei Britta war es wohl nur eine Aufwallung.«
    »Sie wollte ihrem Jonas unter die Arme greifen.«
    »Nicht einmal das, glaube ich – so mütterlich ist sie nicht. Einfach eine Aufwallung! Nur in dem Moment! Sie zündet den Moment!«
    Matti starrte Catherine an: Weil sie absolut recht hatte, wie er fand, und weil er mit einemmal begriff, daß sie zu ihm heraufgesprungen, ihm jetzt ebenbürtig, doch gar nicht mehr zwei Jahre jünger war als er.
    Sie verließen rasch das Haus, liefen in Richtung Schorba, überquerten die alte Holzbrücke mit den krummen Bohlen und dem abgegriffenen, braunschwarz glänzenden Geländer, strebten der Felgentreuschen Wohnung zu; manchmal berührten sich während des Laufens ihre Arme, und als ob ein Schmerz sie durchzuckte, entfernte jeder der beiden sich beim nächsten Schritt vom anderen, ehe sie sich einander wieder näherten, und sich wieder abstießen, seltsame Schlängellinien, die sie da zogen, wie wedelnde Skifahrer an einem Hang, nur ohne Abdrücke, ohne Spuren.
    Dann standen sie vor der Wohnungstür und klingelten. Nichts tat sich. Sie klingelten noch mehrmals, wieder nichts. Sie wollten schon wieder gehen, da erschien doch noch Jonas, mit nacktem Oberkörper, sich die Hose zuknöpfend. Matti und Catherine schauten betreten an ihm vorbei; wenn sie mutig genug gewesen wären, ihm geradewegs ins Gesicht zu blicken, hätten sie bemerkt, es leuchtete keinesfalls, sondern war verkniffen, und zwar auf eine Weise, die nichts mit ihnen zu tun haben konnte. Und auch Britta drinnen, in Jonasens Zimmer, wirkte verstört.
    Matti überbrachte ihr ohne lange Vorrede die Nachricht Willys. Britta, ohnehin schon bleich, verlor fast völlig die Farbe und fragte kaum hörbar, was ihr Vater wolle.
    »Es ist wegen der Wandzeitung, nehme ich an«, sagte Matti.
    Ihr entfuhr ein leiser Schrei. »Woher weiß er denn davon? Und woher … weißt du es?«
    »Matti hat es von mir«, erklärte Catherine mit fester und auch stolzer Stimme.
    »In Ordnung … das ist in Ordnung«, murmelte Britta. »Aber mein Vater, woher weiß der es denn?«
    Matti und Catherine hoben ratlos die Schultern. Alle schwiegen. Plötzlich sagte Jonas äußerst gereizt: »Hättet ihr vielleicht die Güte, mich aufzuklären, worüber ihr gerade sprecht? Das wäre sehr nett!« Und wahrhaft, er hatte ja keine Ahnung. Nach seiner Relegation war er fluchtartig, und natürlich ohne zur Wandzeitung zu schauen, denn was ging die ihn noch an, aus dem Schulgebäude gestürmt.
    Britta klärte ihn auf, wobei, seltsamerweise, nun auch sie an Jonas vorbeischaute. Als ob sie sich ihrer guten Tat, bei der sie doch zweifelsohne von ihm inspiriert gewesen war und die ja nicht zuletzt ihm galt, jetzt schämen würde. Jonasens Gesicht wiederum verdüsterte sich immer mehr, einige Augenblicke versuchte er zu verbergen, wie beleidigt er war, aber dann

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