Brüder und Schwestern
Schlange?« sagte er, nachdem sie den ersten Schluck getrunken hatten. »Gewiß, ich kann dir ansehen, sie ist keine. Außerdem spukt mir noch im Kopf herum, daß sie deiner Aussage zufolge unter einem schlechten Einfluß stand. Natürlich habe ich das nicht vergessen. Du magst vielleicht gedacht haben, ich hätte es vergessen, aber ich merke mir so was. Und dieser Einfluß, das ist durchaus eine Erklärung, der ich folgen kann. Du verstehst?«
»Folgen in dem Sinne, daß du … daß du dich doch für meine Tochter verwenden würdest?« Willy blickte Altenhof fassungslos an.
»In dem Sinne. Ich könnte mit dem Genossen Krümnick eine Unterredung, oder, um nicht in die Belange der Schulrätin einzugreifen, ein zwangloses Gespräch führen.« Altenhof goß Cognac nach. »Natürlich kann das nur unter einer Voraussetzung geschehen, ich denke, das versteht sich von selbst.« Er verstummte, und blieb still, bis Willy fragte, welche Voraussetzung er meine.
»Nun, selbstverständlich müßte deine Tochter … wie heißt sie? … Britta, also Britta müßte erklären, es habe sich um eine Verirrung ihrerseits gehandelt, um einen Fehler, der ihr jetzt leid tue. … Es tut ihr doch leid? … Wenn es ihr leid tut, und davon gehe ich hier und heute aus, dann dürfte es ihr nicht schwerfallen, das auch laut und deutlich zu artikulieren, und ich denke, die beste Gelegenheit dafür wäre der morgendliche Appell, wenn alle Klassen versammelt sind.«
»Das wird sie nicht tun«, murmelte Willy bestürzt, »das wird sie nicht tun.«
»Das sollte sie aber. Das ist Teil der Abmachung, die wir hier treffen, Genosse Werchow. Ich rede mit dem Direktor – deine Tochter entschuldigt sich öffentlich, so lautet die Abmachung. Das ist nur recht und billig. Das wäre mir, unter uns gesprochen, vor allem deshalb wichtig, weil es in dieser ganzen Angelegenheit ja nicht nur um deine Britta geht. Die Angelegenheit zieht Kreise, wie du sicher weißt. Deine Tochter gäbe allen an der Schule ein Beispiel, wie man sich zu verhalten hat, wenn man denn schon in die Falle getappt ist. Es wäre ein durchaus wichtiges Beispiel. Also: Sie entschuldigt sich, richte ihr ruhig aus, ich bitte sehr darum. Anderenfalls, tja, anderenfalls haben wir beide hier nur sinnlos Zeit vergeudet.«
Willy begriff die letzten Worte Altenhofs als Aufforderung, nun das Zimmer zu verlassen. Und tatsächlich war ja auch alles gesagt. Er erhob sich, da bedeutete ihm Altenhof, indem er mit seiner ausgestreckten Hand von oben nach unten fuhr, als drücke er einen großen Knopf auf einem Schaltpult, Willy möge sich wieder setzen. »Bleib doch noch kurz. Oder hast du es sehr eilig? Würdest du noch ein wenig Zeit für mich erübrigen? … Gut, danke. Mir brennt nämlich schon seit längerem etwas auf der Seele, und ich dachte mir, jetzt, da wir endlich einmal unter vier Augen zusammensitzen, könnte ich das mit dir bereden. Wobei du mich bitte nicht mißverstehen sollst. Wenn ich eben sagte, es brenne mir auf der Seele, und ich hätte darauf gewartet, daß wir einmal unter uns sind, so bedeutet das keineswegs, ich hegte irgendwelche privaten Absichten. Das genaue Gegenteil ist zutreffend. Was ich erreichen möchte, ist eine Erhöhung der Lebensqualität für die Bevölkerung. Aber ich will nicht länger in Rätseln sprechen. Es geht um die Schwimmhalle auf deinem Gelände, Genosse Werchow.«
»Die Schwimmhalle … und was möchtest du diesbezüglich gern bereden?« fragte Willy.
»Nun, ich hörte von mehreren Seiten, die Halle werde von den Angestellten der Druckerei kaum genutzt. Es fehle ihr an Auslastung. Gleichzeitig ist es aber die einzige Schwimmhalle im Ort. Du weißt vielleicht, manche Gerberstedter, die schwimmen gehen wollen, fahren dazu bis nach Jena hoch. Ein unhaltbarer Zustand, da sind wir uns wohl einig, nicht wahr? … Schön. Meine Frage, Genosse Werchow, meine Frage ist daher folgende: Hieltest du es für denkbar, deine Halle für breitere Bevölkerungsschichten zu öffnen, als das bisher der Fall ist?«
»Es ist nicht meine Halle.« Willy schlug die Augen nieder.
Altenhof fixierte ihn schweigend.
»Du weißt genau, diese Halle wurde ausschließlich mit Geldern der Parteiverlagsverwaltung gebaut. Sie dient dazu, daß sich die Drucker, und die anderen Angestellten, nach der harten Arbeit, die sie verrichten müssen, gleich vor Ort erholen können.«
Altenhof schüttelte gequält den Kopf. »Und die anderen Menschen? Ich mag nicht glauben, daß du ihnen
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