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Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Titel: Brunetti 01 - Venezianisches Finale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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aufrichtig erstaunt über die Frage. »Was hätte das geändert? Wenn Sie mit dem Arzt gesprochen haben, dann wissen Sie, dass der Schaden irreversibel ist. Die Polizei hätte nichts tun können, niemand konnte etwas tun, um ihm das Gehör wiederzugeben. Und er konnte mich nicht bestrafen.« Sie hielt inne, bis sie sich eine Zigarette angezündet hatte. »Außer durch das, was er getan hat«, sagte sie dann.
    »Und was war das?«, fragte Brunetti.
    Ihre Antwort war eine offene Zurechtweisung. »Wenn Sie soviel wissen, wie es den Anschein hat, dann wissen Sie jawohl auch das.«
    Er erwiderte ihren Blick mit möglichst ausdrucksloser Miene. »Ich habe noch zwei Fragen, Signora. Die erste stelle ich wirklich aus Unwissenheit. Die zweite ist einfacher und ich glaube, die Antwort schon zu kennen.«
    »Dann fangen Sie mit der zweiten an«, sagte sie.
    »Sie betrifft Ihren Mann. Warum sollte er versuchen, Sie auf diese Weise zu bestrafen?«
    »Meinen Sie, indem er es so hinstellte, als ob ich ihn umgebracht hätte?«
    »Ja.«
    Er beobachtete, wie sie versuchte zu antworten, sah, wie sie die Worte formte und wieder fallen ließ, vergaß. Endlich sagte sie leise: »Er sah sich als über dem Gesetz stehend, über dem Gesetz, das wir anderen zu befolgen haben. Ich glaube, er dachte, sein Genie gebe ihm diese Macht, dieses Recht. Und weiß Gott, wir haben ihn alle darin bestärkt. Wir haben einen Gott der Musik aus ihm gemacht, sind vor ihm auf die Knie gefallen und haben ihn angebetet.« Sie hielt inne und sah zu ihm hinüber. »Tut mir leid, das ist keine Antwort auf Ihre Frage. Sie wollten wissen, ob er fähig gewesen wäre, mir die Schuld in die Schuhe zu schieben. Aber...«, sagte sie und streckte ihm wie um Verständnis werbend die Hände entgegen. »Ich war ja die Schuldige. Er hatte also ein Recht, mir das anzutun. Es wäre weniger schrecklich gewesen, wenn ich den Menschen umgebracht hätte; das hätte den Gott unangetastet gelassen.« Sie brach ab, aber Brunetti sagte nichts.
    »Ich versuche es Ihnen aus seiner Sicht zu erzählen. Ich kannte ihn so gut, ich wusste, wie er fühlte, was er dachte.« Wieder hielt sie inne, dann nahm sie ihren Versuch, ihm die Sache verständlich zu machen, erneut auf. »Etwas Seltsames ist mir aufgegangen, nachdem er tot war und ich langsam merkte, wie sorgsam er alles geplant hatte, indem er mich hinter die Bühne bat und mich in seine Garderobe ließ. Ich fand - und finde immer noch - dass er das Recht hatte, zu tun, was er tat, mich zu bestrafen. Er war gewissermaßen seine Musik. Und sie habe ich statt seiner getötet. Er war tot. Er war schon tot, bevor er starb. Ich hatte seinen Geist getötet. Ich sah es bei den Proben, wenn er über diese Brille schaute und versuchte, mit diesem nutzlosen Hörgerät zu hören, was mit der Musik geschah. Und er konnte nichts hören. Er konnte nichts hören.« Sie schüttelte den Kopf über etwas, das sie nicht verstand. »Er musste mich nicht mehr bestrafen, Signor Brunetti. Das war schon geschehen. Ich habe meine Hölle hinter mir.«
    Sie faltete die Hände auf dem Schoß und sprach weiter: »Am Premierenabend hat er mir gesagt, was er vorhatte.« Als sie Brunettis Überraschung sah, erklärte sie: »Nein, er hat es nicht gesagt, nicht direkt, nicht in Worten. Ich habe es zu dem Zeitpunkt nicht verstanden.«
    »War das, als Sie hinter die Bühne gegangen sind?«, fragte Brunetti.
    »Ja.«
    »Was hat sich da abgespielt?«
    »Zuerst sagte er gar nichts, als er mich an der Tür stehen sah, blickte nur zu mir auf. Aber dann muss er hinter mir im Korridor etwas gesehen haben. Vielleicht dachte er, es wollte jemand zu ihm.« Sie ließ müde den Kopf sinken. »Ich weiß es nicht. Was er sagte, klang einstudiert: Das, was Tosca sagt, als sie Cavaradossis Leiche sieht: ›Finire cosi? Cosi!‹ Ich verstand es in dem Moment nicht - ›So zu enden? So!‹ - aber ich hätte es verstehen müssen. Sie sagt es, kurz bevor sie sich umbringt, aber ich verstand es nicht. Nicht in dem Moment.« Brunetti sah erstaunt, wie ein fast amüsiertes Grinsen über ihr Gesicht huschte. »Das war so typisch für ihn, im letzten Augenblick noch dramatisch zu sein. Oder eher melodramatisch. Später habe ich mich gewundert, dass er seine letzten Worte aus einer Oper von Puccini wählte.« Sie sah auf, wieder ernst. »Hoffentlich klingt das jetzt nicht seltsam. Aber ich dachte, er würde lieber mit einem Zitat aus einer Mozart-Oper in Erinnerung bleiben. Oder Wagner.« Er sah sie

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