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Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Titel: Brunetti 01 - Venezianisches Finale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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allerdings stammte er aus Tarvisio an der österreichischen Grenze. Er war der anerkannte Experte für Volksmusik, weil er einmal, vor fünfzehn Jahren, ein signiertes Programmheft von Mina, der italienischen Königin der Canzoni, ergattert hatte. Das Ereignis war im Lauf der Jahre - wie Mina - durch häufiges Erzählen überdimensional angeschwollen, bis Alvise jetzt, das Blitzen befriedigter Sehnsüchte im Blick, auch noch andeutete, es habe sich viel mehr zwischen ihnen abgespielt. Die Geschichte verlor auch nicht dadurch, dass die Sängerin einen Kopf größer als Alvise und inzwischen fast doppelt so dick war.
    Riverre, sein Partner, war rothaarig und stammte aus Palermo. Sein Interesse galt einzig dem Fußball und den Frauen, in dieser Reihenfolge. Der Höhepunkt seines bisherigen Lebens war, dass er die Ausschreitungen im Brüsseler Fußballstadion überlebt hatte. Seine Heldentaten bis zum Eintreffen der belgischen Polizei reicherte er mit Geschichten über seine Erfolge bei Frauen an, meist Ausländerinnen, die seiner Darstellung nach reihenweise der Sense seines Charmes zum Opfer fielen.
    Brunetti fand die beiden, wie erwartet, am Tresen der Bar. Riverre las die Sportzeitung und Alvise war in ein Gespräch mit Arianna, der Barbesitzerin, vertieft. Keiner bemerkte sein Eintreten, bis er am Tresen stand und einen Kaffee bestellte. Alvise grinste freundlich und Riverre riss sich gerade so lange von der Zeitung los, um seinen Vorgesetzten zu begrüßen.
    »Noch zwei Kaffee, Arianna«, sagte Alvise, »alle drei auf meine Rechnung.«
    Brunetti durchschaute sein Manöver, ihn wegen des Kaffees milde zu stimmen. Als der Kaffee kam, stand Riverre bei ihnen und die Zeitung hatte sich auf wundersame Weise in einen blauen Aktendeckel verwandelt, der jetzt an ihrer Stelle aufgeschlagen auf dem Tresen lag.
    Brunetti nahm sich zwei Stück Zucker und ließ seinen Löffel in der Tasse kreisen. »Haben Sie beide die Wohnung des Maestros durchsucht?«
    »Ja, Commissario«, strahlte Alvise.
    »Und was für eine Wohnung«, pflichtete Riverre bei.
    »Ich habe mir eben Ihren Bericht angesehen.«
    »Arianna, ein paar Brioches bitte.«
    »Ich habe ihn mit großem Interesse gelesen.«
    »Danke, Commissario.«
    »Besonders die Kommentare über seine Garderobe. Gehe ich recht in der Annahme, dass Sie die englischen Anzüge nicht sonderlich mochten?«
    »Stimmt«, antwortete Riverre, der wie immer nichts begriff. »Ich finde, die Hosenbeine sind zu weit geschnitten.«
    Alvise griff über den Tresen, um den Aktendeckel aufzuschlagen und stieß seinen Partner dabei ganz aus Versehen gegen den Arm, vielleicht etwas härter als nötig. »Sonst noch was, Commissario?«, fragte er.
    »Ja. Haben Sie bei Ihrem Besuch einen Hinweis auf die Tochter der Signora gefunden?«
    »Gibt es da eine Tochter?« Das kam wie vorherzusehen von Riverre.
    »Darum frage ich ja. Gab es Hinweise auf ein Kind? Bücher? Kleidungsstücke?«
    Beide versanken, ebenfalls vorhersehbar, in tiefes Nachdenken. Riverre starrte ins Nichts, das ihm näher zu sein schien als den meisten Menschen und Alvise, die Hände tief in den Taschen seiner Uniformhose, starrte auf den Fußboden. Die erforderliche Minute verging, bevor beide wie aus einem Munde antworteten: »Nein, Commissario«, als hätten sie es eingeübt.
    »Gar nichts?«
    Wieder grübelte jeder für sich, dann die simultane Antwort: »Nein.«
    »Haben Sie mit der Haushälterin gesprochen, der Belgierin?«
    Riverre rollte bei der Erinnerung daran die Augen, als wollte er sagen, dass jede Minute mit so einem Stockfisch von einer Frau vergeudet sei, selbst wenn sie Ausländerin war. Alvise begnügte sich mit einem kurzen: »Ja.«
    »Und hat sie etwas gesagt, was vielleicht wichtig ist?«
    Riverre holte tief Luft, aber bevor er antworten konnte, fiel sein Partner ein: »Nicht direkt mit Worten, Commissario. Aber ich hatte das Gefühl, sie kann die Signora nicht leiden.«
    Riverre konnte das nicht durchgehen lassen und fragte mit anzüglichem Grinsen: »Was gibt es an der nicht zu leiden?«
    Brunetti bedachte ihn mit einem kühlen Blick und wandte sich an seinen Partner: »Wieso?«
    »Also, es war nicht direkt greifbar«, meinte der. Riverre schnaubte. So viel zur Effektivität des kühlen Blicks.
    »Wie gesagt, Commissario, es war nichts Definitives, aber sie war irgendwie viel förmlicher, solange die Signora dabei war. Wahrscheinlich mühsam für sie, noch förmlicher zu sein als uns gegenüber, aber so kam es mir vor.

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