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Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Brunetti 01 - Venezianisches Finale

Titel: Brunetti 01 - Venezianisches Finale Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Dottoressa?«
    »Wie ich schon sagte, er ist ein einsamer alter Mann. Und er ist mein Patient, da versuche ich zu tun, was ich kann, um ihm zu helfen.« Als sie sah, dass er Anstalten machte zu widersprechen, fügte sie hinzu: »Wenn ich glaube, dass es ihm hilft.«
    »Ist es denn normal, dass Sie Privatpatienten annehmen?«
    Wenn sie merkte, worauf das hinauslief, dann ließ sie es sich nicht anmerken. »Die meisten sind Kassenpatienten.«
    »Wie viele Privatpatienten haben Sie denn?«
    »Ich glaube nicht, dass Sie das etwas angeht, Commissario.«
    »Nein, wahrscheinlich nicht«, gab er zu. »Würden Sie eine Frage über Ihre politische Einstellung beantworten?« Es war eine Frage, die in Italien, wo die Parteien sich noch nicht gleichen wie ein Ei dem anderen, immer noch einige Bedeutung hatte.
    »Ich bin natürlich Kommunistin, selbst wenn der Name der Partei geändert wurde.«
    »Und da akzeptieren Sie einen der reichsten Männer Venedigs als Patienten? Wahrscheinlich einen der reichsten Italiens?«
    »Natürlich. Warum sollte ich nicht?«
    »Nun, wie gesagt, weil er ein sehr reicher Mann ist.«
    »Was hat das damit zu tun, ihn als Patienten zu haben?«
    »Ich dachte...«
    »Dass ich ihn ablehnen sollte, weil er reich ist und sich bessere Ärzte leisten kann? Meinten Sie das, Commissario?« Sie versuchte nicht, ihren Ärger zu verbergen. »Das ist nicht nur eine persönliche Beleidigung, es ist auch Ausdruck eines ziemlich vereinfachten Weltbildes. Aber keines von beiden überrascht mich sehr.« Bei ihrer letzten Bemerkung fragte er sich, was der Conte wohl bei ihren Gesprächen über ihn gesagt hatte.
    Er hatte das Gefühl, das ganze Gespräch sei ziemlich aus dem Ruder gelaufen. Er hatte sie nicht kränken wollen, hatte nicht andeuten wollen, der Conte könnte bessere Ärzte finden. Sein Erstaunen galt einzig der Tatsache, dass sie ihn als Patienten angenommen hatte. »Dottoressa, bitte«, sagte er und hielt die Hand hoch, »es tut mir leid, aber die Welt, in der ich arbeite, ist eine vereinfachte Welt. Es gibt gute Menschen.« Sie hörte ihm zu, daher wagte er lächelnd den Zusatz: »Wie uns.« Sie hatte den Takt zurückzulächeln. »Und dann gibt es Menschen, die das Gesetz brechen.«
    »Aha, ich verstehe«, antwortete sie, doch ihr Zorn war noch nicht verflogen. »Und gibt uns das ein Recht, die Welt in zwei Gruppen einzuteilen, eine für uns und eine für alle anderen? Und ich behandle diejenigen, die meine politischen Ansichten teilen und lasse den Rest sterben? Bei Ihnen klingt das wie ein Cowboyfilm - hier die Guten und dort die Gesetzesbrecher und nicht die geringsten Schwierigkeiten, den Unterschied zwischen beiden zu erkennen.«
    Er versuchte sich zu verteidigen: »Ich habe nicht gesagt, welches Gesetz, ich sagte nur, sie brechen das Gesetz.«
    »Gibt es in Ihrem Weltbild nicht nur ein Gesetz, nämlich das des Staates?« Ihre Verachtung war offensichtlich und er hoffte, sie galt dem Gesetz des Staates und nicht ihm.
    »Nein, ich glaube nicht«, erwiderte er.
    Sie warf die Arme hoch. »Wenn jetzt auch noch der arme alte Gottvater vom Himmel heruntergezerrt und ins Gespräch gebracht werden soll, dann brauche ich noch ein Glas Champagner.«
    »Nein, lassen Sie mich gehen«, sagte er und nahm ihr das Glas aus der Hand. Als er gleich darauf mit einem frischen Glas Champagner für sie und einem Mineralwasser für sich selbst zurückkam, nahm sie das Glas und bedankte sich mit einem ganz normalen und freundlichen Lächeln.
    Sie nippte und fragte dann: »Und wie ist das mit diesem Gesetz, von dem Sie sprachen?« Das klang so ehrlich interessiert und ohne Groll, dass es ihren Disput von eben ganz vergessen machte. Auf beiden Seiten, wie er merkte.
    »Das, was wir haben, ist sicher nicht ausreichend«, begann er, überrascht, sich das sagen zu hören, denn dieses Gesetz hatte er sein Leben lang verteidigt. »Wir brauchen ein menschlicheres, oder vielleicht ein humaneres.« Er hielt inne, weil er merkte, wie idiotisch er sich vorkam, wenn er das sagte. Und schlimmer noch, es auch meinte.
    »Das wäre sicher sehr schön«, sagte sie so sanft, dass er sofort misstrauisch wurde. »Aber würde sich das mit Ihrem Beruf vertragen? Schließlich leben Sie davon, das andere Gesetz durchzusetzen, das Gesetz des Staates.«
    »Das ist dasselbe.« Und als er merkte, wie lahm und dumm das klang, fügte er hinzu: »Normalerweise.«
    »Aber nicht immer?«
    »Nein, nicht immer.«
    »Und wenn nicht?«
    »Ich versuche die Stelle

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