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Brunetti 02 - Endstation Venedig

Brunetti 02 - Endstation Venedig

Titel: Brunetti 02 - Endstation Venedig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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gesprochen?«
    »Nein, Commissario. Noch nicht. Wir haben noch keine Todeszeit.«
    »Gegen Mitternacht«, erklärte Brunetti.
    Vianello schlug ein Dienstbuch auf, das auf seinem Schreibtisch lag, und fuhr mit dickem Finger über die Reihen mit Namen. »Er ist gerade mit einem Boot zum Bahnhof unterwegs. Bringt zwei Gefangene zum Zug nach Mailand. Soll er zu Ihnen ins Büro kommen, wenn er zurück ist?«
    Brunetti nickte und wurde dann durch Rossis Rückkehr unterbrochen. Sein Bericht war nicht viel anders als Vianellos: Niemand auf dem Campo oder in den Häusern ringsum hatte an dem Morgen etwas Ungewöhnliches gesehen oder gehört.
    In jeder anderen italienischen Stadt wäre die Tatsache, daß niemand etwas gesehen oder gehört hatte, nichts weiter als ein Beweis für das Mißtrauen der Leute gegenüber der Polizei und ihrer allgemeinen Unlust, ihr zu helfen. Hier jedoch, wo die Bürger im allgemeinen gesetzestreu und die meisten Polizisten selbst Venezianer waren, hieß es nichts anderes, als daß sie nichts gehört oder gesehen hatten. Wenn es in der Gegend irgendwelche ernsthaften Verbindungen zu Drogen gab, würden sie es früher oder später erfahren. Jemand würde einen Vetter oder einen Freund oder eine Schwiegermutter haben, der oder die mit einem Freund telefonieren würde, der zufällig einen Vetter, einen Freund oder eine Schwiegermutter bei der Polizei hatte, und so würde die Kunde zu ihm gelangen. Bis dahin würde er es als gegeben hinnehmen müssen, daß es in jenem Teil der Stadt wenig Beziehungen zu Drogen gab, daß es nicht der Ort war, wo jemand hingehen würde, um Drogen zu nehmen oder zu kaufen, schon gar kein Ausländer. All das schien auszuschließen, daß Drogen bei diesem Verbrechen im Spiel waren, jedenfalls wenn es irgendwie mit dieser Gegend zusammenhing.
    »Schickt Bonsuan bitte zu mir hoch, wenn er zurückkommt«, ordnete Brunetti an und ging wieder in sein Büro, wobei er mit Bedacht das Treppenhaus im hinteren Teil des Gebäudes benutzte, um Pattas Büro weiträumig zu umgehen. Je länger er es vermeiden konnte, mit seinem Vorgesetzten zu reden, desto besser.
    In seinem Büro fiel ihm endlich ein, Paola anzurufen. Er hatte vergessen, ihr zu sagen, daß er zum Mittagessen nicht zu Hause sein würde, aber es war schon Jahre her, daß sie darüber beunruhigt oder überrascht gewesen war. Statt sich mit ihm zu unterhalten, las sie dann beim Essen ein Buch, es sei denn, die Kinder waren da. Genaugenommen hatte er allmählich den Verdacht, daß sie solche ruhigen Mittagspausen genoß, allein mit ihren Autoren, über die sie an der Universität lehrte; denn sie hatte nie etwas dagegen, wenn er sich verspätete oder gar nicht kommen konnte.
    Sie nahm beim dritten Klingeln ab. »Pronto.«
    »Ciao, Paola. Ich bin's.«
    »Dachte ich mir schon. Wie läuft es so?« Sie stellte nie direkte Fragen nach seiner Arbeit oder warum er nicht zum Essen kommen konnte. Das lag nicht daran, daß sie kein Interesse daran hatte, sie fand es nur besser, zu warten, bis er von selbst darüber redete. Irgendwann bekam sie es doch alles zu hören.
    »Tut mir leid mit dem Essen, aber ich mußte telefonieren.«
    »Schon gut. Ich habe mit William Faulkner gespeist. Ein sehr interessanter Mann.« Im Lauf der Jahre hatten sie sich angewohnt, ihre Mittagsbesucher wie richtige Gäste zu behandeln, und machten Witze über die Tischmanieren von Dr. Johnson (schockierend), die Konversation von Melville (skurril) und die Mengen, die Jane Austen trank (gigantisch).
    »Ich komme aber zum Abendessen. Ich muß nur noch mit ein paar Leuten hier reden und ein Telefongespräch aus Vicenza abwarten.« Als sie nichts darauf sagte, fügte er hinzu: »Vom dortigen Militärstützpunkt.«
    »Ach, dann stimmt es also?« fragte sie, womit sie zu erkennen gab, daß sie schon von dem Verbrechen und der vermutlichen Identität des Opfers gehört hatte. Der Barmann erzählte es dem Postboten, der erzählte es der Frau im zweiten Stock, die rief ihre Schwester an, und bald wußte jedermann in der Stadt, was passiert war, lange vor jeder Verlautbarung in den Zeitungen oder den Abendnachrichten.
    »Ja, es stimmt«, bestätigte er.
    »Wann meinst du, daß du hier sein kannst?«
    »Vor sieben.«
    »Gut. Dann gehe ich mal aus der Leitung, falls dein Gespräch kommt.«
    Er liebte Paola aus vielerlei Gründen, nicht zuletzt weil er wußte, daß dies der wirkliche Grund für sie war, das Gespräch zu beenden. Es lag keine verschlüsselte Botschaft, keine

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