Brunetti 02 - Endstation Venedig
seiner eigenen Mutter unter die Nase gehalten hätte.«
»Das heißt dann wohl, daß ich mich mal mit Ruffolos Mutter unterhalten muß«, sagte Brunetti.
»Soll ich Ihnen eine kugelsichere Weste aus der Kleiderkammer holen?« fragte Rossi grinsend.
»Nein, Rossi, die Witwe Ruffolo und ich, wir kommen jetzt bestens miteinander aus. Nachdem ich beim Prozeß ein gutes Wort für ihren Sohn eingelegt habe, hat sie sich entschlossen, zu vergeben und zu vergessen. Sie lächelt sogar, wenn sie mich auf der Straße sieht.« Er verschwieg, daß er sie in den letzten beiden Jahren ein paarmal besucht hatte, offenbar als einziger Mensch in der ganzen Stadt.
»Sie Glücklicher. Spricht sie auch mit Ihnen?«
»Ja.«
»Siciliano ? «
»Ich glaube, sie kann gar nichts anderes.«
»Wieviel davon verstehen Sie denn?«
»Etwa die Hälfte«, antwortete Brunetti, und um der Wahrheit willen fügte er hinzu: »Aber nur, wenn sie ganz langsam spricht.« Obwohl man nicht sagen konnte, daß Signora Ruffolo sich an das Leben in Venedig angepaßt hatte, auf ihre Weise hatte sie doch zur Polizeigeschichte der Stadt beigetragen, eine Frau, die einen Commissario angegriffen hatte, um ihren Sohn zu schützen.
Kurz nachdem Rossi gegangen war, rief Fosco zurück.
»Guido, ich habe mit ein paar Leuten hier gesprochen. Es heißt, er habe bei seinen Golfgeschäften ein Vermögen verloren. Ein vollbeladenes Schiff, dessen Ladung niemand kannte, ist verschwunden, wahrscheinlich von Piraten gekapert. Und wegen des Embargos hatte er es nicht versichern können.«
»Er hat also alles verloren?«
»Ja.«
»Hast du eine Ahnung, um welche Summen es geht?«
»Da ist niemand sicher. Ich habe Schätzungen zwischen fünf und fünfzehn Milliarden gehört, aber keiner konnte mir eine genaue Summe nennen. Jedenfalls heißt es, daß er eine Zeitlang alles noch zusammenhalten konnte, jetzt aber offenbar ernsthafte Liquiditätsprobleme hat. Ein Freund von mir, der beim Corriere arbeitet, sagt, Viscardi habe eigentlich nichts zu befürchten, weil er seine Finger in irgendeinem Regierungsvertrag mit drin hat. Und er hat Beteiligungen in anderen Ländern. Mein Kontaktmann war sich nicht ganz sicher, in welchen. Soll ich versuchen, mehr herauszufinden?«
Brunetti hatte allmählich den Eindruck, daß dieser Signor Viscardi einer aus jener aufkommenden Generation von Geschäftsleuten war, die harte Arbeit durch Frechheit ersetzten und Ehrlichkeit durch Beziehungen. »Nein, ich glaube nicht, Riccardo. Ich wollte mir nur einen Eindruck verschaffen, ob er so etwas probieren würde.«
»Und?«
»Tja, es sieht so aus, als wäre er durchaus dazu fähig.«
Obwohl Brunetti nicht danach gefragt hatte, wartete Fosco mit einer weiteren Information auf. »Er soll sehr gute Beziehungen haben, aber Genaueres wußte mein Informant nicht. Soll ich noch ein bißchen herumfragen?«
»Klang es nach Mafia?« wollte Brunetti wissen.
»Könnte man sagen.« Foscos Lachen hatte einen resignierten Unterton. »Aber wann klingt es nicht danach? Es scheint allerdings, als hätte er auch einen Draht zu Regierungsmitgliedern.«
Brunetti widerstand seinerseits der Versuchung, zu fragen, wann es danach nicht klang, statt dessen fragte er: »Und sein Privatleben?«
»Er hat eine Frau und Kinder hier in Mailand. Sie ist so eine Art Patenfee für die Malteser - Wohltätigkeitsbälle und Besuche in Krankenhäusern, weißt du. Außerdem hat er eine Geliebte in Verona; ich glaube, es war Verona. Irgendwo bei dir in der Gegend.«
»Du hast gesagt, er sei arrogant?«
»Ja. Einige Leute, mit denen ich gesprochen habe, meinen sogar, noch mehr als das.«
»Was heißt das?« erkundigte Brunetti sich.
»Zwei sagen, er könnte gefährlich sein.«
»Er persönlich?«
»Du meinst, ob er ein Messer ziehen würde?« fragte Fosco lachend.
»So etwas in der Richtung.«
»Nein, ich hatte nicht den Eindruck, daß sie das meinten. Jedenfalls würde er es wohl nicht persönlich tun. Aber er geht gern Risiken ein; zumindest steht er hier in diesem Ruf. Und wie ich schon sagte, er ist gut geschützt und zögert nicht, seine einflußreichen Freunde um Hilfe zu bitten.« Fosco hielt einen Moment inne, dann sagte er: »Einer meiner Gesprächspartner ging sogar noch weiter, wollte mir aber nichts Genaueres sagen. Er meinte nur, wer mit Viscardi zu tun habe, solle sehr vorsichtig sein.«
Brunetti beschloß, den letzten Satz auf die leichte Schulter zu nehmen, und erklärte: »Ich habe keine Angst vor
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