Brunetti 03 - Venezianische Scharade
Gefängnisses, des schlimmsten in ganz Italien, aus dem noch nie jemandem die Flucht gelungen war; selbst ein so abgebrühter Mensch wie Malfatti konnte sein Erschrecken nicht verbergen. Brunetti wartete einen Augenblick, aber als Malfatti immer noch nichts sagte, fügte er hinzu: »Wie man hört, weiß niemand, ob die Katzen da größer sind oder die Ratten.« Wieder hielt er inne.
»Und wenn ich rede?« fragte Malfatti endlich.
»Dann werde ich den Richtern vorschlagen, das zu berücksichtigen.«
»Ist das alles?«
»Das ist alles.« Auch Brunetti konnte Leute nicht leiden, die Polizisten umbrachten.
Malfatti nahm sich nur einen Moment Zeit, bevor er sich entschied. »Va bene«, sagte er. »Aber ich möchte es im Protokoll stehen haben, daß ich aus freien Stücken ausgesagt habe. Da soll drinstehen, daß ich gleich nach der Festnahme bereit war, alles zu sagen.«
Brunetti stand auf. »Ich hole einen Protokollführer«, sagte er und ging zur Zellentür. Er winkte einem jungen Mann, der am Ende des Ganges an einem Schreibtisch saß und kurz darauf mit Kassettenrekorder und Block hereinkam.
Als sie soweit waren, sagte Brunetti: »Geben Sie Namen, Geburtsdatum und derzeitige Adresse an.«
»Malfatti, Pietro, 28. September 1962, Castello 2316.«
So ging es eine Stunde, und die ganze Zeit blieb Malfattis Stimme so unbeteiligt wie bei der Beantwortung der ersten Frage, wenngleich die Geschichte, die herauskam, immer schauriger wurde.
Die Idee stammte ursprünglich von Ravanello oder Santomauro, Malfatti hatte sich nie soweit dafür interessiert, um nachzufragen. Sie hatten seinen Namen von den Männern auf der Via Cappuccina bekommen und ihn gefragt, ob er bereit sei, gegen einen gewissen prozentualen Anteil monatlich für sie die Mieten zu kassieren. Er hatte nie darüber nachgedacht, ob er das Angebot annehmen sollte, nur über den Prozentsatz, den er bekommen würde. Sie hatten sich auf zwölf geeinigt, wobei Malfatti fast eine Stunde lang hart verhandeln mußte, damit sie so hoch gingen.
In der Hoffnung, noch mehr für sich abzweigen zu können, hatte Malfatti vorgeschlagen, einen Teil der legalen Einnahmen der Lega in Form von Schecks an Leute auszuzahlen, die er ihnen nennen würde. Brunetti unterbrach Malfattis Prahlerei mit dieser Masche, indem er fragte »Wann hat Mascari das herausbekommen?«
»Vor drei Wochen. Er ist zu Ravanello gegangen und hat ihm erzählt, daß etwas mit den Konten nicht stimmt. Er hatte keine Ahnung, daß Ravanello davon wußte, er dachte, es wäre Santomauro. Idiot«, stieß er verächtlich hervor. »Wenn er gewollt hätte, dann hätte er ihnen ein Drittel abknöpfen können, mit Leichtigkeit.« Er blickte zwischen Brunetti und dem jungen Polizisten hin und her, wie um sie aufzufordern, seine Verachtung zu teilen.
»Und dann?« fragte Brunetti, der seine eigene Verachtung für sich behielt.
»Santomauro und Ravanello sind ungefähr eine Woche vorher zu mir gekommen. Sie wollten, daß ich ihnen den Mann vom Hals schaffe, aber ich kannte sie ja, also habe ich gesagt, ich mache es nur, wenn sie mir dabei helfen. Ich bin schließlich kein Idiot.« Wieder sah er die beiden anderen Männer beifallheischend an. »Sie wissen, wie das mit solchen Leuten ist. Man macht etwas für sie und wird sie dann nie mehr los. Wenn man vor ihnen sicher sein will, muß man dafür sorgen, daß sie sich auch selbst die Hände schmutzig machen.«
»Haben Sie ihnen das gesagt?« fragte Brunetti.
»So ungefähr. Ich habe gesagt, daß ich es mache, aber daß sie mir helfen müssen, es anzuleiern.«
»Wie ging das vor sich?«
»Sie haben Crespo bei ihm anrufen lassen. Er sollte sagen, er hätte gehört, daß Mascari Informationen über die Wohnungen sammelt, die von der Lega vermietet werden, und daß er in einer wohnt. Mascari hatte ja die Liste und konnte es überprüfen. Als Mascari sagte, daß er an dem Abend nach Sizilien fliegen wollte - das wußten wir -, hat Crespo gesagt, er könnte ihm noch andere Informationen geben, und ob er nicht auf dem Weg zum Flughafen bei ihm vorbeikommen wollte.«
»Und?«
»Er war einverstanden.«
»War Crespo dabei?«
»Aber nein.« Malfatti schnaubte verächtlich. »Das war ja so ein zartbesaiteter kleiner Mistkerl. Wollte nichts damit zu tun haben. Er hat sich verabschiedet, ist wahrscheinlich früher als sonst auf die Straße gegangen. Und wir haben auf Mascari gewartet. Um sieben ist er dann gekommen.«
»Und dann?«
»Ich habe die Tür aufgemacht. Er
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