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Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Titel: Brunetti 03 - Venezianische Scharade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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Brunetti.
    »Wer das getan hat, muß ihn wirklich gehaßt haben, oder er war nicht ganz bei sich. Von der Nase ist nichts mehr übrig.«
    »Lassen Sie von einem Zeichner eine Skizze machen?«
    »Ja. Aber das meiste wird er wohl raten müssen. Als Anhaltspunkte hat er nur Gesichtsform und Augenfarbe. Und die Haare.« Gallo hielt einen Moment inne, bevor er sagte: »Sie sind sehr dünn, und an einigen Stellen ist er schon kahl, so daß ich annehme, er hat eine Perücke getragen, wenn er, äh, wenn er arbeiten ging.«
    »Wurde eine Perücke gefunden?« fragte Brunetti.
    »Nein. Außerdem sieht es so aus, als wäre er woanders getötet und dann zu der Stelle gebracht worden.«
    »Fußspuren?«
    »Ja. Die Spurensicherung sagt, sie hätten welche gefunden, die zu der Stelle hin- und auch wieder wegführen.«
    »Tiefere Eindrücke beim Hinweg?«
    »Ja, Commissario.«
    »Dann ist er also dort hingeschafft worden. Wohin führten die Fußspuren?«
    »Es sieht aus, als wären sie von einer schmalen Asphaltstraße gekommen, die hinter der Wiese und dem Schlachthof verläuft.«
    »Und auf der Straße?«
    »Nichts. Es hat seit Wochen nicht geregnet. Da könnte ein Auto oder sogar ein Laster angehalten haben, ohne irgendwelche Abdrücke zu hinterlassen. Wir haben nur die Fußspuren. Männliche. Größe dreiundvierzig.« Das war Brunettis Schuhgröße.
    »Haben Sie eine Liste von allen Transvestiten, die als Prostituierte arbeiten?«
    »Nur von denen, die schon mal in Schwierigkeiten waren, Commissario.«
    »Was für Schwierigkeiten sind das denn so?«
    »Die üblichen. Drogen. Streitereien untereinander. Hin und wieder legt sich einer mit einem Kunden an. Meist wegen Geld. Aber bisher ist noch nie einer in etwas Ernstes verwickelt gewesen.«
    »Und die Streitereien? Enden die manchmal gewalttätig?«
    »Nie so, Commissario. Nie hat es so etwas gegeben.«
    »Wie viele sind es denn überhaupt?«
    »Wir haben so um die dreißig registriert, aber ich nehme an, das ist nur ein kleiner Teil. Viele kommen aus Pordenone oder Padua rüber. Dort läuft das Geschäft offenbar gut für sie.«
    Pordenone war die nächstgelegene größere Stadt in der Nähe eines amerikanischen wie auch eines italienischen Militärstützpunktes. Das würde Pordenone erklären. Aber Padua? Die Universitätsstadt? Wenn dem so war, dann hatten die Verhältnisse sich geändert, seit Brunetti dort Jura studiert hatte.
    »Ich würde mir diese Unterlagen heute abend gern mal ansehen. Können Sie mir Kopien machen lassen?«
    »Das habe ich schon getan, Commissario«, sagte Gallo und überreichte Brunetti einen dicken blauen Ordner von seinem Schreibtisch.
    Während er den Ordner entgegennahm, wurde Brunetti bewußt, daß er sogar hier in Mestre, kaum zwanzig Kilometer von zu Hause, wahrscheinlich als Fremder angesehen wurde, und er suchte nach irgendeiner Gemeinsamkeit, mit der er zum Mitglied eines Arbeitsteams wurde und nicht als Commissario von außerhalb galt. »Aber Sie sind doch Venezianer, Sergente, nicht?«
    Gallo nickte, und Brunetti fügte hinzu: »Castello?« Wieder nickte Gallo, aber dieses Mal mit einem Lächeln, als wüßte er, daß der Akzent ihm folgte, wohin er auch ging.
    »Was machen Sie dann hier draußen in Mestre?« erkundigte sich Brunetti.
    »Sie wissen, wie es ist, Commissario«, antwortete der andere. »Ich war es einfach leid, in Venedig nach einer passenden Wohnung zu suchen. Zwei Jahre haben meine Frau und ich uns bemüht, ohne Erfolg. Niemand will an einen Venezianer vermieten, aus Angst, daß man einzieht und sie einen nie wieder rausbekommen. Und die Preise, wenn man kaufen will - fünf Millionen Lire für den Quadratmeter. Wer kann sich das schon leisten? Da sind wir hierher gezogen.«
    »Das klingt, als würden Sie es bedauern, Sergente.«
    Gallo zuckte die Achseln. Er teilte das Schicksal vieler Venezianer, die von explodierenden Mieten und Preisen aus der Stadt vertrieben wurden. »Es ist nie leicht, seine Heimat zu verlassen, Commissario«, meinte er, aber Brunetti hatte den Eindruck, daß seine Stimme bei diesen Worten etwas wärmer klang.
    Brunetti kam zum Thema zurück und klopfte mit dem Finger auf den Ordner. »Gibt es einen Kollegen hier, mit dem sie reden, dem sie trauen?«
    »Wir hatten einen, Benvenuti, aber er ist letztes Jahr in den Ruhestand gegangen.«
    »Und sonst gibt es keinen?«
    »Nein, Commissario.« Gallo hielt kurz inne, als überlegte er, ob er seine nächste Bemerkung riskieren könne. »Leider behandeln viele

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