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Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Titel: Brunetti 03 - Venezianische Scharade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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es wahr ist. Tito Burrasca?«
    Als Brunetti nickte, legte sie den Kopf in den Nacken und gab einen unfeinen Laut von sich, den man am ehesten als Johlen bezeichnen konnte. »Tito Burrasca«, wiederholte sie, drehte sich zur Spüle um und griff nach einer Tomate. »Tito Burrasca.«
    »Ach komm, Paola. So komisch ist das nun auch wieder nicht.«
    Sie wirbelte herum, das Messer in der ausgestreckten Hand. »Was soll das heißen, nicht komisch? Patta ist ein aufgeblasener, scheinheiliger, selbstgerechter Mistkerl, und mir fällt niemand ein, dem ich so etwas eher gönnen würde als ihm.«
    Brunetti zuckte die Achseln und goß sich Wein nach. Solange sie gegen Patta wütete, war sie von Mestre abgelenkt, obgleich er wußte, daß es nur eine kurze Verschnaufpause war.
    »Ich kann es nicht glauben«, sagte sie zur letzten noch in der Spüle verbliebenen Tomate gewandt. »Seit Jahren sitzt er dir im Nacken, vermasselt dir alles, was du tust, und jetzt verteidigst du ihn.«
    »Ich verteidige ihn nicht, Paola.«
    »Das klingt mir aber ganz so«, entgegnete sie, diesmal zu dem Stück Mozzarella in ihrer Linken.
    »Ich sage nur, daß niemand so etwas verdient. Burrasca ist ein Schwein.«
    »Und Patta nicht?«
    »Soll ich Chiara rufen?« fragte er, weil er sah, daß der Salat fast fertig war.
    »Nicht, bevor du mir gesagt hast, wie lange diese Sache in Mestre aller Voraussicht nach dauert.«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Worum geht es denn?«
    »Um Mord. Ein Transvestit wurde auf einer Wiese in Mestre gefunden. Jemand hat ihm, wahrscheinlich mit einem Rohr, das Gesicht eingeschlagen, und ihn dann da draußen hingeschafft.« - Ob es in anderen Familien wohl auch so erhebende Gespräche vor dem Essen gab?
    »Warum das Gesicht?« wollte sie wissen, womit sie genau die Frage stellte, die ihn den ganzen Nachmittag schon beschäftigte.
    »Wut?«
    »Hm«, machte sie, während sie Mozzarella schnitt und die Scheiben zwischen die Tomaten legte. »Aber warum auf einer Wiese?«
    »Weil der Täter die Leiche möglichst weit vom Tatort entfernt wissen wollte.«
    »Und du bist sicher, daß er nicht da umgebracht worden ist?«
    »Alles spricht dafür. Es gibt Fußspuren, die zu der Stelle führen, wo die Leiche gefunden wurde, und weniger tief eingedrückte in umgekehrter Richtung.« »Ein Transvestit?«
    »Das ist alles, was ich weiß. Über das Alter hat mir niemand etwas gesagt, aber alle scheinen sicher zu sein, daß er auf den Strich gegangen ist.«
    »Glaubst du das nicht?«
    »Ich habe keinen Grund, es nicht zu glauben. Aber auch keinen, es zu glauben.«
    Sie zupfte ein paar Basilikumblätter ab, hielt sie einen Augenblick unter fließendes kaltes Wasser und hackte sie dann in kleine Stücke, die sie über die Tomaten und den Mozzarella streute. Schließlich salzte sie das Ganze und träufelte großzügig Olivenöl darüber.
    »Ich dachte, wir essen draußen«, sagte sie. »Chiara sollte den Tisch decken. Willst du mal nachsehen?« Er drehte sich um und nahm die Flasche und das Glas mit. Als sie das sah, legte Paola das Messer in der Spüle ab. »Das ist wohl bis zum Wochenende nicht abgeschlossen, oder?«
    Er schüttelte den Kopf. »Wahrscheinlich nicht.«
    »Was soll ich machen?«
    »Wir haben das Hotel gebucht. Die Kinder haben sich darauf eingestellt. Sie freuen sich schon, seit die Schule zu Ende ist.«
    »Was soll ich machen?« wiederholte sie. Einmal, vor ungefähr acht Jahren, hatte er es geschafft, ihr in irgendeiner Sache auszuweichen. Einen Tag lang war er damit durchgekommen.
    »Ich möchte, daß du mit den Kindern in die Berge fährst. Wenn diese Sache sich rechtzeitig erledigen läßt, komme ich nach. Auf jeden Fall werde ich versuchen, nächstes Wochenende raufzukommen.«
    »Ich hätte dich lieber bei mir, Guido. Ich möchte meinen Urlaub nicht allein verbringen.«
    »Du hast die Kinder.«
    Paola würdigte diese Antwort keiner Erwiderung. Sie nahm die Platte mit dem Salat und kam auf ihn zu. »Geh und sieh nach, ob Chiara den Tisch gedeckt hat.«

5
    V or dem Einschlafen las er noch die Akten durch. Sie gaben ihm Einblick in eine Welt, von deren Existenz er wohl gewußt hatte, über die er aber keinerlei genaue oder gesicherte Kenntnis besaß. Er hatte immer geglaubt, in Venedig gäbe es keine Transvestiten, die als Prostituierte arbeiteten. Immerhin wußte er von mindestens einem Transsexuellen, aber nur, weil er einmal einen Brief hatte unterschreiben müssen, in dem Emilio Marcato bescheinigt wurde, daß er nicht

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