Brunetti 03 - Venezianische Scharade
sind ziemlich bekannt«, sagte Buffo mit einem Gesichtsausdruck zwischen Grinsen und Grimasse. Dann fuhr er fort: »Wenn er zu den hiesigen gehört, haben wir ihn bald identifiziert.«
»Und wenn nicht?« fragte Brunetti.
»Dann dauert es wohl etwas länger. Oder aber wir finden gar nicht heraus, wer er ist. In jedem Fall kein großer Verlust.«
»Und warum das. Sergente Buffo?« fragte Brunetti gefährlich leise, aber Buffo hörte nur die Worte, nicht den Ton.
»Wer braucht die schon? Perverse. Sie haben alle AIDS und finden nichts dabei, anständige, schwer arbeitende Männer damit anzustecken.« Er spuckte aus.
Brunetti blieb stehen, drehte sich um und sah den Sergente an. »Soweit ich weiß, Sergente Buffo, stecken sich diese anständigen, schwer arbeitenden Männer, um die Sie so besorgt sind, mit AIDS an, weil sie diese ›Perversen‹ dafür bezahlen, daß sie ihnen den Schwanz in den Arsch rammen dürfen. Versuchen wir, das nicht zu vergessen. Und vergessen wir auch nicht, daß dieser Tote, wer immer er sein mag, ermordet wurde und es unsere Pflicht ist, seinen Mörder zu finden. Auch wenn der ein anständiger, schwer arbeitender Mann war.« Damit machte Brunetti die Tür zum Schlachthof auf und ging hinein, denn der Gestank da drin war ihm immer noch lieber als der hier draußen.
4
D rinnen erfuhr er nicht viel mehr. Cola erzählte seine Geschichte noch einmal, und der Meister bestätigte sie. Buffo berichtete mürrisch, keiner der Männer, die dort arbeiteten, habe etwas Außergewöhnliches gesehen, an diesem Morgen nicht, und auch nicht tags zuvor. Die Huren gehörten schon so in die Landschaft, daß inzwischen niemand mehr groß auf sie oder das, was sie trieben, achtete. Keiner könne sich erinnern, daß diese Wiese hier hinter dem Schlachthof je von den Huren benutzt worden sei - schon allein der Geruch spräche dagegen. Doch hätte man eine dort gesehen, wäre es auch nicht weiter aufgefallen.
Nachdem Brunetti sich das alles angehört hatte, ging er zum Wagen zurück und bat, zur Questura in Mestre gefahren zu werden. Scarpa, der seine Jacke wieder übergezogen hatte, stieg aus und setzte sich zu Sergente Buffo in den zweiten Wagen. Auf der Fahrt nach Mestre kurbelte Brunetti das Fenster auf seiner Seite ein Stück herunter, um etwas Luft hereinzulassen, auch wenn sie noch so heiß war, und damit den Schlachthausgeruch wegzubekommen, der immer noch in seinen Kleidern hing. Wie die meisten Italiener hatte Brunetti die Idee des Vegetarismus immer verspottet und sie als eine der vielen Überspanntheiten der Wohlgenährten abgetan, aber heute erschien sie sehr naheliegend.
In der Questura brachte ihn der Fahrer in den zweiten Stock und machte ihn mit Sergente Gallo bekannt, einem hageren Mann mit tiefliegenden Augen, der aussah, als ob ihn die Jahre, die er mit der Verfolgung von Verbrechern verbracht hatte, von innen her zerfressen hätten. Als Brunetti vor Gallos Schreibtisch Platz genommen hatte, meinte der Sergente, es gebe dem, was Brunetti bereits wisse, nur wenig hinzuzufügen. Immerhin konnte er einen ersten mündlichen Bericht des Pathologen weitergeben:
Der Tod war durch eine Reihe von Schlägen auf Kopf und Gesicht verursacht worden und zwölf bis achtzehn Stunden vor Auffinden der Leiche eingetreten. Angesichts der Hitze ließ es sich nicht genauer bestimmen. Aus Rostspuren in den Wunden und deren Form schloß der Pathologe, daß die Mordwaffe ein Stück Metall gewesen war, wahrscheinlich eine Art Rohr, sicher aber etwas Zylindrisches. Die Laboranalysen über Mageninhalt und Blut kämen frühestens am Mittwoch, so daß man noch nicht sagen könne, ob der Tote unter Drogen oder Alkohol gestanden habe, als er starb. Da viele Prostituierte und fast alle Transvestiten der Stadt nachweislich Drogen benutzten, war das anzunehmen, auch wenn die Leiche keine Einstichstellen aufwies. Der Magen war leer gewesen, doch es gab Anzeichen für eine Nahrungsaufnahme etwa sechs Stunden vor dem Tod.
»Und seine Kleidung?« fragte Brunetti.
»Ein rotes Kleid, irgendein billiger Stoff. Rote Schuhe, kaum getragen, Größe einundvierzig. Ich lasse sie untersuchen, um zu sehen, ob wir den Hersteller ausfindig machen können.«
»Haben Sie Fotos?« wollte Brunetti wissen.
»Die sind vor morgen vormittag nicht fertig, Commissario, aber nach dem Bericht der Kollegen, die ihn abgeholt haben, werden Sie vielleicht lieber darauf verzichten, sie anzuschauen.«
»So schlimm ist es also?« fragte
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