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Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Brunetti 03 - Venezianische Scharade

Titel: Brunetti 03 - Venezianische Scharade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Donna Leon
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zweifeln, daß Pattas Traum sich erfüllen würde, aber er hielt den Augenblick nicht für günstig, solche Bedenken jetzt anzumelden. Da er nicht recht wußte, wie er seine nächste Frage formulieren sollte, versuchte er es auf besonders rücksichtsvolle Weise. »Wird er bei der Festnahme allein sein?«
    »Das ist das Problem«, sagte Patta und sah ihn an. »Die Festnahme ist natürlich geheim. Sie wollen um acht heute abend hingehen. Ich weiß es nur durch den Anruf eines Freundes bei der Guardia di Finanza.« Brunetti konnte zusehen, wie sich Pattas Gesicht nachdenklich umwölkte. »Wenn ich sie anrufe und warne, sagt sie es ihm, und er verschwindet aus Mailand und wird nicht festgenommen. Aber wenn ich sie nicht anrufe, ist sie bei der Festnahme dabei.« Und dann, das mußte er nicht erst erwähnen, gab es keine Möglichkeit mehr, ihren Namen aus der Presse herauszuhalten. Und den seinen damit auch. Brunetti beobachtete Pattas Gesicht, fasziniert von den Emotionen, die sich darauf spiegelten: Rachegelüste und Eitelkeit lagen im Widerstreit.
    Wie Brunetti vermutet hatte, siegte die Eitelkeit. »Mir fällt kein Ausweg ein, wie ich sie da herausbekommen könnte, ohne ihn zu warnen.«
    »Vielleicht könnten Sie, aber natürlich nur, wenn Sie es für sinnvoll halten, Vice-Questore, Ihren Anwalt bitten, dort anzurufen und ihr für heute abend ein Treffen in Mailand vorzuschlagen. Dann wäre sie, äh, nicht da, wenn die Polizei kommt.«
    »Warum sollte mein Anwalt sich mit ihr treffen wollen?«
    »Vielleicht könnte er sagen, daß Sie bereit sind, sich mit ihr über Bedingungen zu unterhalten. Das wäre ja genug, um sie für diesen Abend woandershin zu locken.«
    »Sie haßt meinen Anwalt.«
    »Wäre sie bereit, mit Ihnen selbst zu reden? Wenn Sie ihr sagen, daß Sie zu dem Treffen nach Mailand kommen?«
    »Sie...«, begann Patta, aber dann schob er seinen Stuhl zurück und stand auf, ohne den Satz zu beenden. Er ging ans Fenster und stellte seine eigenen stummen Betrachtungen über die Fassade von San Lorenzo an.
    Er stand ziemlich lange da, ohne etwas zu sagen, und Brunetti war sich der Gefahr des Augenblicks bewußt. Sollte Patta sich jetzt umdrehen und so etwas wie eine emotionale Schwäche zugeben, indem er sagte, er liebe seine Frau und wolle sie zurückhaben, würde er Brunetti nie verzeihen, daß er dabei gewesen war und es gehört hatte. Und schlimmer noch, sollte er sich in Brunettis Gegenwart die kleinste Schwäche oder innere Not anmerken lassen, würde Patta gnadenlos Vergeltung an seinem Zeugen üben.
    Ernsthaft und scheinbar ungerührt, als hätte er Patta und seine persönlichen Probleme schon ad acta gelegt, sagte Brunetti: »Vice-Questore, eigentlich bin ich dieser Mascari-Geschichte wegen gekommen. Ich glaube, es gibt da einige Dinge, die Sie wissen sollten.«
    Pattas Schultern hoben und senkten sich einmal, als er tief Luft holte, dann drehte er sich um und kam an seinen Schreibtisch zurück. »Was hat sich getan?«
    Rasch und ganz auf die Sache konzentriert erzählte Brunetti ihm von den Unterlagen über die Lega und die von ihr verwalteten Wohnungen, von denen eine Crespos gewesen war, sowie über die Summen, die monatlich für die Bedürftigen ausgegeben wurden.
    »Anderthalb Millionen im Monat?« sagte Patta, als Brunetti ihm auch noch alles über Canales Besuch berichtet hatte. »Was kassiert die Lega angeblich an Miete?«
    »In Canales Fall hundertzehntausend monatlich. Und keiner auf der Liste zahlt mehr als zweihunderttausend, Vice-Questore. Das heißt, in den Büchern der Lega steht, daß sie nicht mehr als das für eine Wohnung verlangt.«
    »Wie sehen denn diese Wohnungen aus?«
    »Crespos war eine Vierzimmerwohnung in einem modernen Haus. Es ist die einzige, die ich selbst gesehen habe, aber aufgrund der Adressen, zumindest, soweit sie hier in der Stadt sind, und der Anzahl der Zimmer würde ich sagen, daß es sich um erstrebenswerte Wohnungen handelt, bei vielen.«
    »Wissen Sie, wie viele Leute so ähnliche Wohnungen haben wie Canale und ihre Mieten auch in bar bezahlen?«
    »Nein, leider nicht. Da müßte ich mit den Mietern sprechen und herausfinden, wer alles da hinein verwickelt ist. Ich müßte die Bankunterlagen der Lega einsehen. Und ich brauchte eine Namensliste dieser Witwen und Waisen, die angeblich jeden Monat Geld bekommen.«
    »Das müßte ein Gericht verfügen, nicht?« fragte Patta, in dessen Ton sich seine angeborene Vorsicht wieder einschlich. Gegen Leute wie Canale

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